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Europäische Wertegemeinschaft, Europakommunikation, Institutionen & Zukunftsdebatte

Frankreichs Auftakt zur EU-Ratspräsidentschaft | EBD Briefing

Eine der zunächst wichtigsten Veränderungen für die europäische Politik im neuen Jahr ist der Wechsel in der Präsidentschaft des Rats der Europäischen Union, die Frankreich seit dem 1. Januar für die nächsten sechs Monate übernommen hat. Als Teil der Trio-Präsidentschaft, die sich das Land mit Tschechien und Schweden teilt, stellt Frankreich seinen Ratsvorsitz unter das Motto „Relance, Puissance, Appartenance“ – Aufschwung, Stärke, Zugehörigkeit.

Um über die Vorhaben des französischen Ratsvorsitzes mit Blick auf deren Bedeutung für die zukünftige Gestaltung der Europapolitik zu sprechen, veranstaltete die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) gemeinsam mit der Französischen Botschaft in Deutschland am Dienstag, den 11. Januar 2021, das erste Briefing des Jahres. Dieses fand als hybride Veranstaltung teils in den Räumlichkeiten der Botschaft in Berlin und teils online statt. Vorgestellt wurde das Programm von der französischen Botschafterin in Deutschland Anne-Marie Descôtes. Unter den Gästen waren Anna Lührmann, Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt, Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Jörg Wojahn, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland und Dr. Linn Selle, Präsidentin der EBD. Moderiert wurde die Veranstaltung vom EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann, an der vor Ort 30 Gäste und online mehr als 500 Zuschauer teilnahmen.

Im Zentrum des französischen Ratspräsidentschaftsprogramm und der Diskussionen beim Briefing stand die europäische Souveränität, vor allem in Bezug auf die EU-Außengrenzen und die Verteidigungsfähigkeit der EU. Das Streben nach mehr Souveränität werde während der französischen Präsidentschaft eine klare Leitlinie für neue Reformen darstellen. Eine dieser angestrebten Reformen betrifft den Schengenraum, der mit einem Krisenmechanismus ausgestattet und dessen Außengrenzen besser geschützt werden sollen. In diesem Zusammenhang möchte Frankreich auch den Europäischen Migrations- und Asylpakt vorantreiben. Für die deutsche Bundesregierung besonders erfreulich ist die Entscheidung Frankreichs, den Strategischen Kompass, welcher im letzten Jahr von der deutschen Ratspräsidentschaft initiiert wurde, als neues sicherheitspolitisches Grundlagendokument der EU verabschieden zu wollen. Der Strategische Kompass wird somit zu einem schönen Brückenprojekt zwischen der deutschen und französischen Ratspräsidentschaft, so die Staatsministerin Lührmann beim EBD Briefing. Für EU-Kommissionsvertreter Wojahn birgt Frankreichs permanente Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen außerdem zusätzliches geopolitisches Gewicht für die europäische Sicherheitspolitik. 

Auch über die Entwicklung der Konferenz zur Zukunft Europas wurde an diesem Nachmittag diskutiert. Frankreich gilt als Ideengeber für das Bürgerforum, das am 9. Mai 2021 gemeinsam mit den europäischen Institutionen ins Leben gerufen wurde. Ursprünglich für zwei Jahre geplant, soll die Zukunftskonferenz nun bereits während der französischen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden. EBD-Präsidentin Selle machte beim Briefing deutlich, dass die EBD sich für eine Verlängerung der Konferenz einsetzen wird. Außerdem plädierte sie für eine klare Strategie, mit der die Empfehlungen der Konferenz in greifbare Reformen umgesetzt werden können, um die gesammelten Ideen und das Engagement der Teilnehmenden nicht ins Leere laufen zu lassen.

Weiter beschäftigte sich die Debatte mit dem europäischen Wachstumsmodell, das Frankreich im Rat der EU entwickeln möchte und das Innovation, Investitionen und Digitalisierung bündelt. Dabei sollen Wirtschaftswachstum und europäische Wettbewerbsfähigkeit weiter vorangetrieben werden und mit effektivem Klimaschutz, unter anderem durch die Umsetzung des Fit-for-55-Pakets, in Einklang gebracht werden. In der Umsetzung der ökologischen und digitalen Wirtschaftsziele wird sich Frankreich auf die enge Zusammenarbeit mit Deutschland stützen können, so Staatssekretär Giegold beim EBD Briefing. Die soziale Dimension des Wachstumsmodells stellt einen weiteren Schwerpunkt dar, durch den Europäerinnen und Europäern gute Arbeitsplätze und -bedingungen, sowie gute Lebensbedingungen und Zukunftschancen geboten werden sollen. Während des Europäischen Jahres der Jugend 2022 stünden daher auch besonders junge Menschen im Fokus des französischen Engagements. Zuletzt kamen auch die Beitrittsverhandlungen der EU mit Nordmazedonien und Albanien zur Ansprache. Diesen Staaten, sowie weiteren Balkan-Ländern solle in naher Zukunft eine klare Beitrittsperspektive, auch im Sinne der europäischen Souveränität, geboten werden.

Spätestens nach dem vergangenen Briefing ist klar, dass Frankreich eine ambitionierte Agenda für das nächste halbe Jahr vorgelegt hat. Die Prioritäten bieten eine Chance, die EU im Schulterschluss mit Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten nachhaltig zu stärken. Die Ratspräsidentschaft wird allerdings nicht nur mit Blick auf europapolitische Erwartungen spannend. Im April findet die französische Präsidentschaftswahl statt, welche auch über den Ratsvorsitz hinaus den europapolitischen Kurs von Frankreich prägen wird.