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Friedrich Naumann Stiftung: Fraktionen formiert: neue Kraftverhältnisse im Europaparlament

Einen Monat lang hatten die gewählten Parteien nach der Europawahl Zeit, um sich als Fraktionen zusammenzuschließen. Nur im Rahmen von Fraktionen haben Parteien Zugang zu Finanzierung und können wichtige Posten im Europaparlament besetzen. Der 24. Juni war als Frist für die Bildung der Fraktionen angesetzt worden.

Nun steht fest, dass die konservative EVP ihren Platz als größte Fraktion halten kann, gefolgt von den Sozialdemokraten, den (eurorealistischen bis euroskeptischen) Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR/englisch: ECR), der ALDE, den Grünen, der Europäischen Linken und schlussendlich der euroskeptischen EFD. Damit geht der Kampf um den dritten Platz im Europaparlament zu Ende. Die ALDE Fraktion verliert ihre Königmacherposition und rutscht hinter EKR/ECR auf die vierte Position.

ALDE hatte am 17. Juni vier neue Parteien in die Fraktion aufgenommen – vier MdEPs der spanischen Partei Unión Progreso y Democracia (UPyD), zwei Abgeordnete der portugiesischen Movimento do Terra (MPT), vier Mitglieder der tschechischen Partei ANO und zwei der spanischen Bewegung Ciudadanos (Cs). Mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder hatte die ALDE-Fraktion auch den Beitritt der flämischen Nationalisten N-VA angenommen. Die vier Abgeordneten der N-VA entschieden sich jedoch am Tag darauf für den Zusammenschluss mit der ECR. Damit wurde die Differenz zwischen der ECR und der ALDE Fraktion noch geringer. Zudem gewann die ECR am Vorabend der Frist der ALDE noch einen Abgeordneten aus Irland ab und festigte mit 69 Abgeordneten ihre Position als drittstärkste Kraft. Brian Crowley, der einzige Abgeordnete der Fianna Fáil, der die Wiederwahl geschafft hatte, kündigte am 23. Juni abends an, dass er zur ECR wechseln würde. Die Konservativen und Reformisten gehen damit als große Gewinner aus der Europawahl hervor; ihre Fraktion erstarkte im Vergleich zu 2009 um zwölf Mitglieder.

Die Liberalen und Demokraten müssen sich mit einer geminderten Abgeordnetenzahl von 66 Mitgliedern in der vierten Position zurechtfinden – mit einem Verlust von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum letzten Urnengang. Die bereits dünnen Aussichten auf einen Spitzenposten in den Europäischen Institutionen für das ALDE-Spitzenduo Guy Verhofstadt & Olli Rehn sind somit verweht.

Erfreulicher für Demokraten in Europa ist die Tatsache, dass die rechtsextremen Parteivorsitzenden Geert Wilders aus den Niederlanden und Marine le Pen aus Frankreich mit der Fraktionsbildung gescheitert sind. „Es ist eine gute Nachricht, dass die Europahasser weiterhin gespalten sind – Le Pen und Wilders bleiben isoliert“, kommentierte FDP- Spitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff am 24. Juni. Das zeige: Nationalisten können Europa nicht gestalten, sie können sich noch nicht einmal auf eine strukturierte Zusammenarbeit verständigen.

Nach der Fraktionsbildung kann das Feilschen um die Besetzung der wichtigsten Posten im Europaparlament beginnen: Am 1. Juli wird das neu zusammengesetzte Parlament den oder die neue Parlamentspräsident/in wählen.
Aus Brüssel von Julie Cantalou, European Affairs Manager