Friedrich-Naumann-Stiftung | Sieg für die Liberalen
In den Niederlanden wurden gestern zwei liberale Erfolgsgeschichten geschrieben: nach einem zähen Wahlkampf wurde die Partei von Ministerpräsident Mark Rutte wieder stärkste Kraft in den Parlamentswahlen und holte gleichzeitig eines ihrer besten Ergebnisse. Zwar muss sie im Vergleich zu 2012 Verluste beklagen, doch verwies sie den Chef-Populisten Geert Wilders mit seiner PVV klar auf den zweiten Platz. Gleichzeitig feiern die Sozialliberalen der Partei D66 ein phänomenales Comeback. Der Auftakt des vielbeschworenen europäischen Wahljahres fällt gut aus.
Am Ende war das Ergebnis eindeutiger als erwartet: mit 33 Sitzen liegt die VVD klar vor der rechtspopulistischen PVV und ihren 20 Sitzen. Zwar konnte die PVV im Vergleich zu den letzten Wahlen ihre Wählerbasis ausbauen, doch das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rutte und Wilders, das über Monate in den Meinungsumfragen prognostiziert worden war, blieb aus. Dabei sicherte sich die VVD ihren komfortablen Vorsprung nicht zuletzt durch den Schlagaustausch mit der türkischen Regierung, in dem sich Rutte wenige Tage vor der Wahl als starker Premier positionieren konnte.
Fragmentierung der Parteienlandschaft
Strahlende Gesichter gab es auch bei der D66. Statt 12 Abgeordnete wie bisher, wird sie nun 19 Vertreter in die Zweite Kammer schicken – eines der besten Ergebnisse seit Jahrzehnten. Mit ihrer Kampagne für eine offene niederländische Gesellschaft und eine starke Europäische Union konnte sie vor allem in (Studenten-)Städten wie Utrecht, Groningen, Leiden und Delft große Gewinne erzielen.
Der große Verlierer des Abends war die sozialdemokratische Partei, die mit einem Sturz von 38 auf 9 Sitze quasi implodiert ist und die Fragmentierung des niederländischen Parteiensystems befeuert. Statt bisher elf ziehen nun dreizehn Parteien in die Tweede Kamer ein. Der Führer der linken Opposition ist die Grün-Links-Partei, die mit ihrer Graswurzelbewegung um den charismatischen, jungen Vorsitzenden Jesse Klaver im Mittelfeld landete. Von dem ultraproportionalen System der Sitzverteilung im niederländischen Parlament, in dem die Prozenthürde in Relation zu den abgegebenen Stimmen festgelegt wird, profitierten auch Kleinstparteien, wie die Partei der Über-Fünfzigjährigen und eine Pro-Einwanderungspartei.
Zähe Koalitionsverhandlungen stehen an
„Die Niederlande haben ‚Nein’ zum Populismus gesagt“, erklärte ein strahlender Jeroen Hardenbol, Vorsitzender der VVD-Auslandsgruppe in Brüssel bei einem Frühstück der Naumann-Stiftung und der ALDE-Partei am Morgen nach der Wahl. Relativ gesehen und mit Blick auf die Meinungsumfragen ist das wahr. Doch gleichzeitig hat Wilders PVV seit den letzten Wahlen Zugewinne verbucht. Wie diese Wähler in der Politik der zukünftigen Regierung repräsentiert werden, wird auch über den weiteren Erfolg Wilders entscheiden, denn die PVV wird – selbst wenn sie es wollte – keine Regierungspartei, darauf hatten sich die anderen Parteien bereits vor der Wahl verständigt.
Die Koalitionsbildung wird alles andere als ein Zuckerschlecken. Für die 76 nötigen Sitze, die in der Tweede Kammer die Mehrheit sichern, reicht ein Zusammenschluss von VVD, D66 und Christdemokraten nicht aus. Nun liegen verschiedene Optionen auf dem Tisch. Eine Zusammenarbeit mit der Christunion würde eine knappe Mehrheit sichern, doch thematisch liegen gerade die D66 und die religiös-konservative CU weit auseinander. Eine Koalition unter Einbezug von Grün-Links gäbe eine komfortable Mehrheit, doch hier prallen unterschiedliche Ideen zu Themen wie Umwelt- und Wirtschaftspolitik aufeinander. Auch eine Minderheitenregierung käme in Frage.
Gerade für die D66, die sich endlich auf den dritten Platz zurückgekämpft hat, ist die Frage der Sichtbarkeit in der Koalition von fundamentaler Bedeutung. Würde sie es schaffen, sich in einer Mitte-rechts Regierung als sozialliberale Kraft zu profilieren? Und würde es ihr in einer Koalition mit Grün-Links gelingen, sich genug vom Newcomer abzugrenzen, der in Teilen eine ähnliche Wählerschaft anspricht?
Alle Parteien müssen sich gleichermaßen fragen: was tun, damit am Ende nicht Geert Wilders von einer schwachen Regierung profitiert? Diese und viele andere Herausforderungen werden die Parteien in den kommenden Wochen beschäftigen. So schnell wie im Jahr 2012, als nach 54 Tagen die Koalition stand, wird es diesmal voraussichtlich nicht gehen.
Liberales Erfolgskonzept?
Auch im europäischen Ausland war die Wahl mit Spannung verfolgt worden und so sendet das Wahlergebnis ein wichtiges Signal für die Parteien der politischen Mitte: der Siegeszug der Populisten kann gestoppt werden – wenn man es richtig macht. VVD und D66 hatten hierfür unterschiedliche Wege eingeschlagen. Während die VVD als Regierungspartei in ihrer Rhetorik zu Fragen der Migration und europäischen Integration durchaus einen mahnenden, kritischen Ton angeschlagen hatte, war die D66 mit einer positiven Vision von Europa und einer offenen Gesellschaft in den Wahlkampf gezogen.
Darüber hinaus darf aber nicht vergessen werden, dass ein klarer Erfolgsfaktor von VVD und D66 ihr permanentes „Campaigning“ ist, also der kontinuierliche Austausch mit und Einbezug von Wählern und Parteimitgliedern auch außerhalb des Wahlkampfs.
Zusammen konnten VVD und D66 damit über 30 Prozent der Wähler ansprechen. Auch wenn die Auswertung des Wahlkampfs noch einige Wochen in Anspruch nehmen wird, bieten die Niederlande mit VVD und D66 damit einen interessanten Fundus für Liberale aus ganz Europa, die populistischen Gegenwind im Land spüren.
Es bleibt zu wünschen, dass das gestrige Wahlergebnis das erste von vielen weiteren sein wird.
Die Pressemitteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung finden Sie hier.