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COVID-19 Politik, EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik

Globale Pandemie international bekämpfen | EBD De-Briefing Europäischer Rat

Bei dem informellen Videotreffen der Staats- und Regierungsspitzen der EU am 25. März lag der Schwerpunkt auf der Bestandsaufnahme der epidemiologischen Lage im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Beim EBD De-Briefing stellten Andreas Peschke, Leiter der Europaabteilung im Auswärtigen Amt, und Dr. Kirsten Scholl, Leiterin der Abteilung für Europapolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), die Gipfelergebnisse des Europäischen Rats (kurz engl. EUCO) zur Diskussion. Als Erstkommentierende waren Patrick Lobis, stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, und EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle mit dabei. Die Moderation des De-Briefings mit 120 Teilnehmenden übernahm EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann.

In Anbetracht der europaweit steigenden Infektionszahlen konzentrierte sich sowohl der EUCO als auch das De-Briefing auf die Koordinierung der Covid-19 Krise. Es ging um die Impfstoffbeschaffung und -verteilung sowie um den Kommissionsvorschlag zum Impf- und Immunitätszertifikat. Trotz Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Impfstoffen sei die EU grundsätzlich bereit, international zu denken und Impfstoffe abzugeben. Dabei seien zukünftig das Prinzip der Reziprozität und die Impfrate von verstärkter Bedeutung. Der Vorschlag für die Verschärfung von Exportkontrollen werde nun im Trilog besprochen.

Bezüglich der Impfstoffverteilung wurde der Brief des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz und vier weiterer Staats- und Regierungschefs an Charles Michel aufgegriffen, welcher die aktuelle Impfstoffverteilung kritisiert. Um die Mitgliedstaaten, die im EU-Durchschnitt der Impfrate hinterherhinken zu unterstützen, habe der EUCO den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV) mit einer Überarbeitung des Verteilungsschlüssels beauftragt. Die Verteilung der Impfstoffe in Abhängigkeit der Bevölkerungszahlen solle jedoch beibehalten werden. Der Kommissionsvorschlag zum Impf- und Immunitätszertifikat werde im beschleunigten Verfahren in der Gesetzgebung zwischen Europaparlament und Rat der EU behandelt. Für Deutschland sei hier wichtig, dass der deutsche Impfausweis auch weiterhin europaweit seine Gültigkeit behält.

In seinem Erstkommentar verwies Patrick Lobis von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland auf die Vorschau zur Impfstoffbeschaffung, welche Grund zur Hoffnung gebe: Im zweiten Quartal würden dreimal so viele Impfdosen verfügbar sein, wie das noch im ersten Quartal der Fall war. Bezüglich der verschärften Exportkontrollen betonte Lobis, dass Exportkontrollen nicht einem Exportstopp gleichkämen. Von über 360 autorisierten Exporten sei bisher nur ein Export gestoppt worden. 

Auch die EBD-Präsidentin bezog sich in ihrem Erstkommentar auf die Covid-19 Pandemie und betonte, dass die gemeinsame europäische Koordinierung der richtige Weg war. Der Umgang mit der Pandemie laufe trotzdem noch immer holprig, insbesondere das Thema Impfnationalismus müsse kritisch betrachtet werden, da es Handlungsmöglichkeiten nur vortäusche. Bezüglich der Exportkontrollen müsse die EU nun aufpassen, dass sie als Vorreiterin in Sachen globaler Solidarität nun nicht in ein Solidaritätsversagen abrutsche. Selle kritisierte, dass im EUCO nicht besprochen wurde, wie man sich bei der Pandemiebekämpfung in der europäischen Nachbarschaft, insbesondere den Beitrittskandidaten im Westbalkan, engagieren sollte.

Außenpolitische Themen hätten unter den EU-Staats- und Regierungsspitzen weniger Raum eingenommen. Vor dem Hintergrund des Ost-Mittelmeerkonflikts um Zypern, dem Verbotsantrag gegen die zweitgrößte Oppositionspartei HDP und dem Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention des Europarates sei es kurz um die Beziehung der EU zur Türkei gegangen. Wichtig aus den Schlussfolgerungen des Rates seien hier zum einen die Ausweitung der Dialogagenda in Sachen Zollunion und sektorale Politikfelder und zum anderen die Fortführung der Unterstützung für die Geflüchteten in der Türkei. Hierzu solle die Kommission Vorschläge unterbreiten. Auch bei der Türkei dürfe man nicht vergessen, dass sie immer noch als Beitrittskandidat fungiere, sich derzeit aber nicht an die Prinzipien der EU halte, kommentierte Selle. Mit Blick auf die Herausforderungen der außenpolitischen EU-Agenda betonte sie: „Das Thema Einstimmigkeit bei Entscheidungen in der Außenpolitik muss mitgedacht werden, wenn die Eigenständigkeit der EU als außenpolitischer Akteur gestärkt werden soll.“ Zu den Beziehungen zu Russland habe Charles Michel, Präsident des EUCO, nur kurz zu seinen Kontakten zur russischen Führung informiert. Beim kommenden Treffen solle auf das Thema strategisch zurückgekommen werden. Eine Besonderheit des EUCO-Treffens sei die Zuschaltung des US-amerikanische Präsidenten Joe Biden gewesen – eine Teilnahme aus Washington habe es zuletzt in der ersten Amtsperiode Barack Obamas gegeben. Biden unterstrich die Bereitschaft zur engen Kooperation mit der EU. Besprochen wurden Klimapolitik, globale Handelsfragen und der Umgang mit autoritären Staaten.

Auch wenn coronabedingt weniger als im Frühjahr üblich über das Europäische Semester und Wettbewerbsfähigkeitsthemen gesprochen wurde, so ging es diesmal vermehrt um die Digitalpolitik. Der Brief von vier EU-Regierungchefinnen, darunter Angela Merkel, an die Europäische Kommission mit dem Aufruf, die digitale Souveränität voranzubringen, stieß auf viel Zuspruch und fand Eingang in die Gipfelergebnisse. Auch der Verhandlungsstand zum Digital Services und Digital Market Act wurden besprochen. Es brauche mehr Tempo bei den Kommissionsvorschlägen zur Künstlichen Intelligenz, war das einhellige Credo.

Zum Thema Binnenmarkt und Industrie fand keine Aussprache statt, da die Industriestrategie der EU-Kommission pandemiebedingt erst Ende April und nicht im März vorgelegt werde.

Ein letzter Punkt auf der Agenda des EUCO-Treffens war der Euro-Gipfel. Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank referierte hierfür zur internationalen Rolle des Euros. Dieser müsse stärker vertreten sein. Ebenfalls Thema war eine Standpunktanalyse zum Wiederaufbauinstrument Next Generation EU und den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen, die grüne Finanzarchitektur und die Europäische Bankenunion. 

In der anschließenden Diskussion ging es um den weiteren Zeitplan zum Russlandprozess, den Auftrag an die Europäische Kommission zur Industriepolitik, insbesondere zur strategischen Autonomie welcher im April erwartet werde und um die gemeinsame Einlagensicherung als dritte Säule der Europäischen Bankenunion. Letztere habe gerade aufgrund von Next Generation EU derzeit keine Priorität, aber die Fortentwicklung der Bankenunion zur Kapitalmarktunion werde aber auf der langfristigen Agenda der EU verfolgt.