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Europäische Wertegemeinschaft, Europakommunikation, Institutionen & Zukunftsdebatte, Partizipation & Zivilgesellschaft

Großteil der Deutschen ist der Europarat trotz seiner wichtigen Rolle unbekannt | EBD-Umfrage

Berlin, Mai 2023. Die EBD begrüßt, dass nach 18 Jahren die Staats- und Regierungsspitzen der 46 Mitgliedstaaten am 16.-17. Mai wieder zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen, sich somit mit der Bedeutung der Institution auf höchster Ebene auseinandersetzen und dem Europarat mehr Sichtbarkeit verschaffen.

Der überfällige Ausschluss Russlands aus dem Europarat hat ein Zeitfenster zu einer Rückbesinnung des Europarates auf seine demokratische DNA und die Stärkung seiner Handlungsfähigkeit eröffnet. Der Freiheitskampf der Ukraine zeigt, wie wichtig wieder die Rolle des Europarates ist, der sich nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 der Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Europa verschrieben hat.

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) von Mai 2023 zeigt: Der Europarat ist trotz seiner Vorreiterrolle in der Durchsetzung von Menschenrechten in Europa und der Förderung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit nahezu unbekannt. Vielen Deutschen ist die Dringlichkeit um den Schutz von Menschenrechten nicht bewusst. Als Indikator öffentlicher Wahrnehmung spiegelt die Umfrage in bedauerlicher Weise wider, wie gering die Bemühungen um eine effiziente Wissensvermittlung rund um Europa und die EU gegenüber den Bürgern sind. Denn ein großer Anteil der Befragten nimmt an, der Europarat in Straßburg sei eine Institution der EU. Die Reichweite der Organisation, die sich in alle Ecken des europäischen Kontinents erstreckt und insgesamt 46 Mitglieder einbezieht, scheint vielen Deutschen fremd zu sein. So geben zahlreiche der Befragten fälschlicherweise an, die Türkei sei kein Mitglied.

In diesem Sinne ist es auch wenig überraschend, dass weniger als 6% der Deutschen vom Europaratsgipfel gehört haben und wissen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz zum Treffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs in die isländischen Hauptstadt Reykjavik Mitte Mai reist. Auch unter Personen, die sich nach eigenen Angaben für Europapolitik interessieren, ist das Wissen um das anstehende Gipfeltreffen gering. Nur knapp über 5% der Europapolitikinteressierten können Auskunft über das Zusammentreffen des Europarates geben.

Doch nicht nur die geringe Sichtbarkeit des Europarates in der Öffentlichkeit stellt ein Problem dar. Zunehmende Menschenrechtsverletzungen und demokratische Rückschritte in Ländern, die sich einst den Prinzipien des Europarates verschrieben hatten, sind deutliche Indikatoren dafür, dass zwischen Mitgliedern und Organisation eine Entfremdung stattfindet, die den Europarat in seiner Funktion schwächt.

Umso größer die Notwendigkeit, dass die Mitgliedstaaten die Ergebnisse des ausführlichen Konsultationsprozesses durch die isländischen Regierung in vielsagenden Gipfeldokumenten verabschieden. Zu groß ist das Risiko, dass ein schwacher Output Kritiker des Europarates in ihrer Annahme bestätigt.

Ebenso geben Daten der Umfrage Einblick darauf, dass zahlreiche Umfrageteilnehmer den Europarat nicht kennen, oder davon ausgehen, dass der Sitz der Institution in Brüssel liegt, was ebenfalls auf eine Verwechslung mit den Institutionen der EU hindeutet. Trotz oder gerade wegen seiner Herangehensweise, die sich gänzlich von den EU-Institutionen abhebt, besitzt der Europarat die Fähigkeit wirksam auf Probleme aufmerksam zu machen und den Grundstein für weiterführende Maßnahmen zu legen. Dieser Anspruch kann jedoch nur erfüllt werden, wenn die demokratische Essenz, die aufrichtige Kooperation der Mitgliedsstaaten, gestärkt wird.

Die EBD, die über den Haager Europakongress von 1948 ihren gemeinsamen geschichtlichen Ursprung mit dem Europarat hat, nutzt diese ernüchternden Umfrageergebnisse, um die Sichtbarkeit des Europarates weiter zu stärken.

Zur EBD-Umfrage zum Download gelangen Sie hier.

Gerne weisen wir Sie auf unser EBD Briefing zum Vorsitz Lettlands im Ministerkomitee des Europarats am 23. Mai 2023 hin. Die Veranstaltung ist öffentlich und findet im Europäischen Haus statt.