Aktuelles > Hans-Böckler-Stiftung: Auch Deutschland verletzt das Inflationsziel

Artikel Details:

  • 31.03.2011 - 13:56 GMT

Hans-Böckler-Stiftung: Auch Deutschland verletzt das Inflationsziel

Die Finanzkrise war der Auslöser, doch die Gründe für die Eurokrise sind hausgemacht: Seit dem Beginn der Währungsunion haben deren Mitglieder ihr Inflationsziel nicht eingehalten – allen voran Deutschland.

Werdet so wettbewerbsfähig wie Deutschland, lautet vielfach die Forderung an die krisengebeutelten Länder Südeuropas. Doch die Eurokrise ließe sich so nicht überwinden, sagt Heiner Flassbeck, Direktor bei der UNCTAD, in seinem Vortrag auf dem IMK Konjunkturforum. Denn eine fundamentale Fehlentwicklung in Euroland bleibe: die dauerhafte Verletzung des Inflationsziels – durch Über- und Unterschreitung.
Kern einer Währungsunion ist die Überzeugung ihrer Mitgliedstaaten, dass sie vom Zeitpunkt der Vereinigung an die gleiche Inflationsrate haben können, erklärt Flassbeck. Denn nur unter dieser Voraussetzung sei es akzeptabel, die eigene Währung aufzugeben. Schließlich gebe man bei gemeinsamer Währung den entscheidenden Hebel aus der Hand, mit dem man über Ab- oder Aufwertungen die Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel beeinflussen kann.
In den zwölf Jahren seit ihrem Start habe die Eurozone ihr Inflationsziel von zwei Prozent auf den ersten Blick zwar erreicht – allerdings nur im Durchschnitt der gesamten Gruppe. Die Inflationsraten der einzelnen Länder entwickelten sich hingegen massiv auseinander; die südeuropäischen waren zu hoch, die deutschen zu niedrig. Die Güterpreise sind so fortgesetzt auseinander gelaufen, konstatiert Flassbeck. Zwischen Deutschland und den Südeuropäern liege der Abstand dadurch inzwischen bei 30 Prozent. "So kann eine Währungsunion nicht funktionieren."

Kernproblem sei die Entwicklung der Lohnstückkosten, erläutert der Ökonom. Deutschland ist mit der Lohnentwicklung stark zurückgeblieben. "Das bestimmt die Preise ganz zentral, und diese bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften." Vor dem Euro habe es ausgeglichene Handelsbilanzen gegeben; unmittelbar nach dem Beginn der Währungsunion seien Deutschlands Exportüberschüsse dramatisch gestiegen, weil Deutschland die Abnehmerländer seiner Produkte preislich zunehmend unter Druck gesetzt habe.
Der Ausweg? Deutschland müsste mit höheren Lohnsteigerungen den anderen Ländern über einen langen Zeitraum die Möglichkeit geben, ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen, empfiehlt der Ökonom. Wenn dagegen alle die gleiche Steigerungsrate der Lohnstückkosten anstrebten, bleibe der absolute Vorteil Deutschlands gegenüber Süd­europa bei 30 Prozent. Damit hätten die anderen keine Chance, jemals ihre Schulden zurückzubezahlen.