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  • 15.05.2012 - 08:55 GMT

Hans-Gert Pöttering: „Solidarität ist keine Einbahnstraße“

Dr. Hans-Gert Pöttering MdEP, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments erklärt im Interview mit Inforadio, welche Auswirkungen die Wahlen in Griechenland und Frankreich für Europa haben.

Bei der Bewertung der Wahlausgänge in Frankreich und Griechenland mahnt Hans-Gert Pöttering zur Differenzierung. Grundsätzlich sei es in einer Demokratie normal, dass die Opposition von heute die Regierung von morgen sein könne und umgekehrt. "Wir hatten in den letzten Jahren eine starke Dominanz der Europäischen Volkspartei und es ist ein ganz normaler politischer Prozess, dass sich das auch wieder ändern kann", so der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments im Inforadio-Interview. Während der französische Wahlverlierer Nicolas Sarkozy jedoch das Wahlergebnis akzeptiert und die Franzosen zur Einheit aufgerufen habe, zeige sich nach den Wahlen in Griechenland "ein nicht sehr verantwortungsvolles Verhalten der Parteien".

Europa sei bislang sehr solidarisch mit Griechenland gewesen und das sollte es auch bleiben. "Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Und wenn sich die griechischen Poplitiker weiter so unverantwortlich verhalten, werden sie sich selbst aus dem Euro verabschieden". Diese Entwicklung wünsche er sich nicht und hoffe, dass die Bemühungen des griechischen Staatspräsidenten am Ende doch noch Erfolg haben werden. "Allerdings ist es auch noch nicht fünf nach zwölf, sondern kurz vor zwölf", so Hans-Gert Pöttering. Ein verbleiben Griechenlands in der Eurozone sei wünschenswert, "am Ende entscheiden jedoch die Griechen selbst".

Nationalistische Reflexe, die versuchten, mit Anti-Brüssel-Populismus zu punkten, habe es in Europa immer gegeben. "Aber die große Mehrheit der Menschen in der EU will die europäische Einigung." Nach Jahrhunderten der Kriege würde heute im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat mit Mehrheiten und friedlichen Mitteln abgestimmt. "Das ist ein großer Fortschritt und das sollten wir trotz aller Turbulenzen nicht vergessen."

Es bedürfe nun einer entschlossenen Willensbekundung aller Verantwortlichen innerhalb der Europäischen Union, dass eine europäische Lösung angestrebt werde. "Denn ein Rückfall in den Nationalismus wäre zum Schaden aller und wir würden möglicherweise die Tragödien der europäischen Geschichte in die Gegenwart und in die Zukunft holen." Mehr Europa und gemeinsames Handeln seien daher die Botschaft, die man den Menschen noch deutlicher machen müsse.

Das komplette Interview mit Dr. Hans-Gert Pöttering finden Sie als Audio-Link auf der unten stehenden Homepage.