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Heinrich-Böll-Stiftung | EU muss Energiewende vorantreiben statt neue Abhängigkeiten von fossilem Gas zu riskieren

Berlin, 6.7.2022: Die derzeitige EU-Energiepolitik droht die Abhängigkeit von fossilem Gas zu verlängern und die 1,5-Grad-Grenze in unerreichbare Ferne zu rücken. Das ist das Ergebnis eines gemeinsamen Berichts, den die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Heinrich-Böll-Stiftung bei einem parlamentarischen Frühstück mit Beteiligung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie mehrerer Bundestagsabgeordneter vorstellen. Der Bericht identifiziert den Ausstieg aus fossilem Gas als zentrale Säule der europäischen Energiewende und zeigt auf, was dafür nötig ist – insbesondere angesichts der aktuellen Energiesicherheits- und Versorgungskrise.

Jan Philipp Albrecht, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung sagt: „Die jüngsten Eskalationen Russlands in der massiven Instrumentalisierung seiner Gasexporte nach Europa hat in aller Deutlichkeit gezeigt: Für Putin ist das demokratische Europa der Gegner. Wir müssen deshalb nun alles daran setzen, auch kurzfristig auf russische Gasimporte verzichten zu können – aus Gründen der Versorgungssicherheit, aber auch um unsere Abhängigkeit von Putins autokratischem Regime zu beenden und die Finanzierung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu stoppen. Doch dabei helfen nationale Tunnelblicke nicht weiter, denn diese Herausforderung können wir in der gebotenen Eile und auch auf Dauer nur mit einer gemeinsamen europäischen Strategie und entschiedenem Handeln wie auch gegenseitiger Rücksichtnahme bewältigen. Die Ergebnisse unseres Berichts zeigen einen klaren Weg nach vorne auf: Europäische Energie- und Klimasicherheit müssen auf Grundlage einer massiv beschleunigten Energiewende in allen Sektoren Hand in Hand gehen und dürfen nicht länger auf fossiles Gas – gleich welcher Herkunft – angewiesen sein. Die EU-Mitgliedstaaten müssen gemeinsam eine schnelle und verbindliche Dekarbonisierungsagenda für die Gasendverbrauchssektoren erarbeiten, die sowohl eine ehrgeizige Reduzierung der Treibhausgasemissionen als auch einen sozial gerechten und fairen Übergang vorsieht. Europäische Solidarität in der Krise bedeutet jetzt konkret, Notlagen und Energiearmut von EU-Bürger*innen mit gezielten und angepassten Instrumenten wirksam zu bekämpfen. Und zugleich die EU-Partnerschaften und die energiepolitische Zusammenarbeit in der europäischen Nachbarschaft zu stärken.“

Der Bericht von DUH und Heinrich-Böll-Stiftung (Büro Brüssel) enthält 21 Politikempfehlungen zur Gestaltung einer zukunftsgewandten Energiepolitik in Europa. Eine zentrale Rolle dabei spielen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, grüner Wasserstoff und Wärmepumpen. Die Welle neuer Gasinfrastrukturprojekte wie Flüssigerdgasterminals, die aufgrund des russischen Angriffskriegs diskutiert werden, sei hingegen kritisch zu prüfen. Die Organisationen gehen davon aus, dass viele dieser Projekte angesichts der sinkenden Gasnachfrage mit Umsetzung des Europäischen Green Deals unnötig werden.

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer kommentiert: „Der einzige Weg, von russischen Gaslieferungen unabhängig zu werden, ohne den Klimaschutz zu opfern, ist die Energiewende und die langfristige Reduzierung unseres Gasverbrauchs. Fossiles Gas ist weder sauber noch eine Brückentechnologie. Es ist ein notwendiges Übel, aus dem wir so schnell wie möglich aussteigen müssen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Putins Überfall auf die Ukraine ändert nichts an dieser Realität. Unser Bericht erkennt das Risiko enormer fossiler Lock-In-Effekte, die ein massiver Aufbau neuer fossiler Gasinfrastruktur zusammen mit einer gasfreundlichen Regulierung zur Folge hätte. Das kann sich das Klima einfach nicht leisten. Wir fordern die europäischen Institutionen auf, nicht in diese Falle zu tappen. Sie müssen die Fit-for-55- und REPowerEU-Pakete konsequent klimafreundlich gestalten.“

Hintergrund:
Die Heinrich-Böll-Stiftung Brüssel und die DUH haben 2020 das Gremium „Expert Group on the Future Role of Gas in Europe“ einberufen, das über einen Zeitraum von 18 Monaten sechs Mal getagt hat. Daran nahmen über 20 hochrangige Expertinnen und Experten aus sechs verschiedenen EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien teil, die Think Tanks, NGO, die Gasindustrie, die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Deutschen Bundestag repräsentierten.

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