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Investorenschutz, Vorsorgeprinzip und Ratifizierung | EBD De-Briefing zu CETA

Kontrovers, geladen und produktiv: Das EBD De-Briefing zur EU-Handelspolitik, das das EBD-Vorstands Mitglied Linn Selle moderierte, brachte in den Räumen des Verbraucherzentrale Bundesverbands die zivilgesellschaftlichen Interessengruppen mit Lutz Güllner, Referatsleiter Kommunikation in der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission zusammen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hatte seinen Erstkommentar kurzfristig absagen müssen. Zur Diskussion standen Vertragstext und Ratifizierungsprozess von CETA, dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada. Zwei Tage zuvor hatte die EU-Kommission beschlossen, dass auch die nationalen Parlamente über den Vertragstext abstimmen dürfen.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands e.V. (vzbv) begrüßte die Gäste und betonte, dass sein Haus genau der richtige Ort sei, um über ein Freihandelsabkommen zu diskutieren. Der vzbv habe sich selbst noch kurz vor dem De-Briefing gegen den aktuellen Vertragstext ausgesprochen. Man befürworte zwar einige Punkte, jedoch überwiegen die kritischen Aspekte.

Bevor die Inhalte des „Comprehensive Economic and Trade Agreements“ (CETA) besprochen wurden, ging Lutz Güllner, der für die Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission de-briefte, einen Schritt zurück: Freihandelsabkommen seien der Kommission wichtig, aber nur eins von vielen Instrumenten der europäischen Handelspolitik. Ein gutes Beispiel für ein funktionierendes Handelsabkommen sei das mit Südkorea, was, nach genau seit fünf Jahren in Kraft, für eine Exportsteigerung von 55% gesorgt habe. Die größten Profiteure seien letztendlich die Verbraucher, weil sie durch die wegfallenden Zölle niedrigere Preise zahlen müssten.

EBD De-Briefing Handelspolitik, Selle, Güllner, Müller; Foto: EBD

Das Podium beim EBD De-Briefing Handelspolitik. V.l.n.r.: Klaus Müller, Linn Selle, Lutz Güllner. Foto: EBD

Pragmatische Lösung zur Ratifizierung des Vertragstextes

Aus juristischer Sicht sei CETA nur auf europäischer Ebene zu ratifizieren, argumentierte Güllner. Die EU sei unter anderem gegründet worden, um internationale Angelegenheiten eben nicht intergouvernemental zu lösen. Um eine Blockade im Rat der EU zu vermeiden, habe die Kommission aber die Entscheidung getroffen, auch die nationalen Parlamente zu befragen. Gleichzeitig können nach Zustimmung des Europäischen Parlaments und der nationalen Regierungen im Rat der EU einzelne Elemente auch schon vor der Ratifizierung durch die Parlamente in den Mitgliedstaaten in Kraft treten.

Import von Produktstandards aus Kanada ausgeschlossen

In Kanada geltende Produktstandards werden durch CETA nicht nach Europa importiert. Hormonbehandelte Fleischprodukte etwa, die in Kanada zugelassen, in Europa jedoch nicht, bleiben auch mit CETA verboten. Mit dem Handelsabkommen würde die kanadische Wirtschaft dazu angeregt, größere Mengen an Waren zu produzieren, die den europäischen Normen entsprechen, um diese hier abzusetzen. Das europäische Vorsorgeprinzip sei in CETA fest verankert. Dass der Wortlaut nicht im Vertrag auffindbar sein, wurde von einigen Gästen als sehr kritisch angemerkt.

Auch mit CETA können Staaten unabhängig Gesetze erlassen, ohne verklagt zu werden

In der Diskussion um Freihandelsabkommen ist der Investorenschutz stets ein besonders heißes Eisen, so auch in der Diskussion beim EBD De-Briefing. Für ausländische Investoren gibt es laut Vertragstext nur dann die Möglichkeit, einen Staat zu verklagen, wenn sie gegenüber einheimischen Unternehmen diskriminiert würden. Allgemeine und für alle Marktakteure geltende Gesetze fallen dementsprechend nicht unter den Investorenschutz.

Öffentliche Dienstleistungen, wie zum Beispiel Kulturgüter, sind komplett vom Investorenschutz ausgenommen. Subventionen von lokalen Theatern können demnach beispielsweise nicht angefochten werden. Außerdem sei eine Errungenschaft von CETA, dass nur öffentliche Vertreter und nicht die Investoren selbst in den Schiedsgerichten vertreten sind.

EBD De-Briefing Handelspolitik; Foto: EBD

EBD De-Briefing Handelspolitik. Foto: EBD

Außerdem wurden die Verhandlungsergebnisse im Bereich Nachhaltigkeit und Demokratie vorgestellt. Kritisiert wurde von einigen Gästen, dass dazu keine bindenden Sanktionsmechanismen verankert sind: Die Absichten beruhen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Die Kommission verteidigte den Text, da es unmöglich sei, Sanktionsmechanismen international anzuwenden.

Ein Versprechen konnte bislang noch nicht gehalten werden: Der deutsche Vertragstext muss erst noch vom Rat der EU genehmigt werden, bevor er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Im Ratifikationsprozess bleibt aber noch genügend Zeit, den Wortlaut zu diskutieren – das nächste EBD De-Briefing zur europäischen Handelspolitik kann kommen.