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Jahresstart im Zeichen des Wiederaufbaus | EBD De-Briefing ECOFIN und Euro-Gruppe

Die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität stellt eine der zentralen Herausforderungen auf europäischer Ebene und eine Hauptpriorität der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft (kurz: EU2021PT) dar. Folglich dominierte das Thema auch die Sitzungen der Euro-Gruppe am 18. Januar und des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ (kurz: ECOFIN-Rat) am 19. Januar. Über die Ergebnisse der Sitzungen informierte Thomas Westphal, Leiter der Europaabteilung im Bundesministerium der Finanzen (BMF) die ca. 80 Teilnehmenden im Rahmen des ersten EBD De-Briefings des Jahres. Die Moderation übernahm Karoline Münz, stellvertretende Generalsekretärin der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD).

Die beiden Sitzungen waren nicht nur die ersten ihrer Art in 2021, sondern gleichzeitig die ersten unter portugiesischem Ratsvorsitz. Dementsprechend stand das EU2021PT-Programm auf der Tagesordnung. Im Bereich Wirtschaft und Finanzen verfolgt die portugiesische Ratspräsidentschaft drei Prioritäten: Allen voran die Implementierung des Wiederaufbauinstruments, die Weiterentwicklung der Bankenunion sowie die Anpassung der Fiskalregeln im Stabilitäts- und Wachstumspakt. Die Verordnung zur Aufbau- und Resilienzfazilität stellt das Kernstück des Wiederaufbauplans dar. Für diese wurde bereits ein Kompromiss im Trilog erzielt, welcher festlegt, wie viel Geld die Mitgliedstaaten erhalten und anhand welcher Kriterien die nationalen Aufbaupläne umgesetzt werden sollen. Dabei gilt, dass von der Pandemie am stärksten betroffene Länder die größten Mittel erhalten. Deutschland wird keine Kreditmittel aufnehmen und voraussichtlich 23,641 Milliarden Euro erhalten, während Italien rund 200 Milliarden Euro erhält, wobei ein wesentlicher Teil aus Zuschüssen und Krediten stammt. Die Verordnung ist bereits politisch beschlossen und soll bis Ende Februar verabschiedet werden. Bis dahin können die 27 Mitgliedstaaten die Finanzmittel nur informell beantragen. Im Rahmen dieses Prozesses prüft die Europäische Kommission die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne mit Zielen und Meilensteinen für angestrebte Reformen und stimmt diese bilateral mit jedem Mitgliedstaat ab. Die Pläne sollen im Frühjahr von der Kommission bewertet und anschließend vom Rat der EU mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Sobald die Meilensteine für Reformen erreicht wurden, können die Mitgliedstaaten bei der Kommission die Auszahlung der Mittel beantragen. Über die Auszahlung entscheidet die Kommission nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses des Rates. Das Verfahren wird als sehr transparent bewertet und ermöglicht, dass die Mitgliedstaaten die dringend benötigten Mittel im Laufe des Jahres 2021 erhalten können. Zudem erhalten die Mitgliedstaaten 13% der beantragten Gesamtsumme vorab, sobald sie ihre Resilienz- und Aufbaupläne verabschiedet haben. Die weiteren Mittel fließen, wenn sie die vereinbarten Meilensteine des Programms erfüllt haben. Bis zu zweimal im Jahr kann ein Auszahlungsantrag gestellt werden, wobei wichtig ist, dass die Kriterien der ökologischen und digitalen Transformation erfüllt werden. Deutschland hat den nationalen Wiederaufbauplan kurz vor Weihnachten an die Kommission übermittelt und wird diese Woche in den Dialog mit der Kommission treten.

Ein weiteres zentrales Thema stellte der Abbau notleidender Kredite (engl: Non-Performing Loans, kurz: NPL) in den Bankbilanzen dar. Die EU-Kommission veröffentlichte dazu eine Mitteilung basierend auf dem Aktionsplan des Jahres 2017. Dabei geht es insbesondere um die Entwicklung von Sekundärmärkten für NPL. In diesem Kontext wurde diskutiert, ob eine europäische Struktur von Asset Management Companies (sogenannte „Bad Banks“) oder nationale Strukturen implementiert werden sollen. Aus den Verhandlungen wurde deutlich, dass Frankreich und Deutschland öffentlichen Strukturen skeptisch gegenüberstehen. Dies trifft ebenso auf die Entwicklung staatlicher Vorsorgestrukturen (engl: Precautionary Recaps) zu, welche darauf abzielen Banken vorsorglich aus öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Weiterhin wurde eine Reform des europäischen Insolvenzrechts im Bankenbereich diskutiert. Die Europäische Zentralbank (EZB) betonte, dass die Banken zwar aktuell solider als zur Finanzkrise 2008 aufgestellt seien, aber aufgrund der Covid-19-Pandemie viele Kreditnehmende wahrscheinlich nicht fähig sein werden, ihre Kredite zu bedienen.

Weiterhin wurden die Ergebnisse der Investitionsumfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) thematisiert. EIB-Präsident Dr. Werner Hoyer berichtete demzufolge von Investitionsbedarf insbesondere im Digitalisierungsbereich seitens der Unternehmen. Diese würden sich aufgrund der Unsicherheiten resultierend aus der andauernden Gesundheits- und Wirtschaftskrise jedoch lieber für kurzfristige Strategien entscheiden. Nach dem Erfolg des Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI, oft Juncker-Plan genannt) soll dessen Nachfolgeprogramm InvestEU ebenso dafür sorgen, Unternehmensinvestitionen zu ermöglichen. Ferner wurden zwei Ratsschlussfolgerungen zum Europäischen Semester angenommen. So wurden die Empfehlungen zur Eurozonen-Wirtschaftspolitik sowie die Schlussfolgerungen zum Warnmechanismus-Bericht 2021 angenommen, welche zum Ziel haben, den makroökonomischen Ungleichgewichten zwischen den Mitgliedstaaten entgegenzuwirken.

In der abschließenden Diskussion des EBD De-Briefings wurden die Europäische Bankenunion, die zurzeit ausgesetzte „general escape clause“ für Fiskalregeln sowie der Aufbau- und Resilienzplan Deutschlands diskutiert.