KAB: Europa braucht einstimmiges Finanzkonzept in der Krise – Finanztransaktionssteuer jetzt!
Deutschland mauert bei der Ausweitung des sogenannten „Rettungsschirms“, des Euro-Rettungsfonds für notleidende europäische Staaten. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch Bundesfinanzminister Schäuble halten die derzeitigen 750 Milliarden Euro für ausreichend. Begründung: Deutschland ist beim Rettungsschirm am stärksten engagiert: Einerseits direkt mit 122,8 Milliarden Euro, andererseits indirekt über die 60 Milliarden der EU-Kommission und über die 250 Milliarden des IWF. Ein weiteres Engagement Deutschlands ist derzeit nicht möglich.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet betont gegenüber der deutschen Position, dass eine Aufstockung des Rettungsfonds sowohl quantitativ als auch qualitativ notwendig sei, um die Risiken zu begrenzen. Er fordert eine Erhöhung der zugesagten 750 Milliarden Euro und insbesondere mehr Flexibilität und Beweglichkeit beim Einsatz des Fonds. Der Rettungsfond soll selbst Anleihen von Problemstaaten zu niedrigeren Zinssätzen als denen am Kapitalmarkt zu zahlenden aufkaufen.
Bei allem notwendigen Streit ist es an der Zeit und dringend geboten, diese gegensätzlichen Positionen in ein stimmiges Finanzkonzept der EU zu bringen. Den Finanzmärkten eine Aufstockung des Rettungsfonds zu verheißen, setzt das falsche Signal. Denn die Spekulanten warten nur darauf, hohe Zinssätze bei „Null-Risiko" zu erzielen und diese Geschäfte weiter auszubauen. Nicht zuletzt um die Haushalte der betroffenen europäischen Staaten zu entlasten, wäre es mehr als sinnvoll, dass die EZB direkt in den Aufkauf von Staatsanleihen zu Zinssätzen leicht oberhalb der Inflationsrate des Euros einsteigt und damit den Spekulanten klar macht: Die EZB greift ein gegen das unhaltbare Gebaren derjenigen, die nur ihre eigene Bereicherung zum Ziel haben. Europa insgesamt würde dadurch Handlungsfähigkeit gegenüber den Kapitalmärkten gewinnen.
Das wirksamste Mittel ist und bleibt aber die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um die mit dem Niedergang von Staaten erzielten Gewinne wirksam abzuschöpfen. Dadurch könnten zudem Einnahmen erzielt werden, um die Schuldenlast der europäischen Staaten zu bremsen. Eine Finanztransaktionssteuer ist zudem ein probates Mittel, um die Umverteilung von unten nach oben und damit der Verarmung breiter Bevölkerungsteile entgegenzuwirken. Zudem ist die unheilvolle Rolle der Ratingagenturen als einer der Hauptverursacher der Finanzkrise endlich deutlich zu beschränken. Schon scheint vergessen zu sein, welche Rolle diese gewinnorientierten Agenturen in der Subprime-Krise 2007/2008 gespielt haben. Dass sie über das Wohl und Wehe von Staaten entscheiden können, wiederspricht jedem demokratischen Verständnis von einer wirksamen Machtkontrolle.
Insofern greift die Diskussion um die Zukunft des Rettungsfonds allein zu kurz. Es geht um tiefer gehende Einschnitte in die unzulängliche Finanzarchitektur Europas und um eine wirksame Rahmensetzung der Finanzmärkte sowie deren Kontrolle durch staatliche Aufsicht. Es geht um gesetzliche Maßnahmen, die deutlich machen: Die Politik will das Primat des Handelns wieder gewinnen – statt den Bürgerinnen und Bürgern in Europa weiterhin Schuldenlasten aufzubürden und die Verursacher der Krise weiterhin mit Profiten „zu bedienen". Nur gemeinsam werden die europäischen Staaten die anstehenden Aufgaben bewältigen können. Nationale Alleingänge helfen nicht weiter.
Autor: Dr. Michael Schäfers, Leiter des Grundsatzreferates der KAB Deutschlands