Aktuelles > Die Schengen-Problematik: Rumänien bleibt außen vor

Artikel Details:

Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit & Verbraucherschutz, Justiz & Inneres, Wirtschaft & Finanzen

Die Schengen-Problematik: Rumänien bleibt außen vor

Nach der Ankündigung Deutschlands, den Antrag Bulgariens und Rumäniens auf Aufnahme in den Schengen-Raum auf der Konferenz der EU-Justiz- und Innenminister mit einem Veto zu verhindern, hat der rumänische Premierminister Victor Ponta (PSD) dieses Anliegen von der Tagesordnung genommen. Die Zukunft des Beitrittsgesuchs bleibt damit vorerst unklar.

Im deutschen Vorwahlkampf wie auch in der rumänischen Innenpolitik spielt die Frage des Beitritts Rumäniens zum Schengen-Abkommen eine bedeutsame Rolle. Die Ankündigung des deutschen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU), er werde auf der Konferenz der EU-Innen- und Justizminister am 7. und 8. März gegen eine Aufnahme Rumäniens in das Schengener Abkommen stimmen, schlug dementsprechend Wellen in der rumänischen Politik.

Rumänien, das seit 2007 Mitglied der Europäischen Union ist, versucht schon seit geraumer Zeit ebenso vollwertiges Mitglied des Schengen-Raumes zu werden und hat in diesem Rahmen eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicher-heit an der eigenen Grenze vorgenommen. Zwar bestätigte die EU-Kommission, dass Rumänien auf dem Weg sei alle technischen Erfordernisse des Schengen-Abkommens an seinen Grenzen zu erfüllen, es stünden aber noch Teile des technischen Ausbaus der Grenzkontrollen aus. Auch bemängelte die Kommission immer wieder Defizite bei der Korruptionsbekämpfung in Rumänien. Der Beitritt wurde seit dem ersten geplanten Termin im Frühjahr 2011 mehrfach ver-schoben und liegt nun vorerst wieder auf Eis.

Reaktionen in Rumänien

Rumäniens Außenminister Titus Corlatean (PSD) warnte schon vor der Ankündigung Friedrichs, dass ein Scheitern des rumänischen Beitrittsgesuchs im März dazu führen könnte, dass das Land sein Interesse an ei-nem Beitritt verlieren und seine Be-mühungen vorerst einstellen würde. Premierminister Ponta stand zur Aussage seines Ministers und gab zu verstehen, dass man einen Aufschub nur akzeptieren werde, wenn an diesen klare Forderungen geknüpft seien, welche Rumänien erfüllen müsse. Sollte kein klarer Weg in den Schengen-Raum aufgezeigt werden, wäre die Vollmitgliedschaft bei Gesprächen mit den EU-Partnern nicht länger wichtigster Punkt auf der Agenda der Regierung.

Nach der Ankündigung des deutschen Vetos gegen eine Aufnahme Rumäniens erklärte Ponta, dass man den Antrag auf Vollmit-gliedschaft von der Tagesordnung nehmen werde. Zuvor traf sich Ponta mit Corlatean, Innenminister Radu Stroe (PNL) und Präsident Traian Basescu, um das weitere Vor-gehen im Beitrittsverfahren abzusprechen. Basescu sagte auf einer Pressekonferenz, ihm lägen Informationen vor, dass sich mindestens sieben weitere Länder gegen einen Antrag Rümäniens ausgesprochen hätten und wertete den Entschluss der Regierung positiv. Ponta dagegen bekräftigte, dass sein Entschluss allein auf Grund des dro-henden deutschen Vetos gefallen sei. Des Weiteren bestätigte er, dass das Erlangen der Vollmitgliedschaft weiterhin eines der Ziele seiner Regierung sei, aber dass nun die Initiative für ein erneutes Beitrittsver-fahren von der EU ausgehen müsse.

Kritik kam von der oppositionellen PDL, die der Regierung Ponta die Schuld an dem deutschen Entschluss gab. Die rumänische EU-Abgeordnete und ehemalige Justizminis-terin Monica Macovei sowie der heutige Bür-germeister von Cluj und ehemalige Premierminister Emil Boc erklärten, die Regie-rung habe zu wenig getan um die Forderun-gen aus dem letzten Cooperation-and-Verification-Mechanism-Bericht (CVM) der EU-Kommission umzusetzen.

Bedeutung Schengens für Rumänien

Das Schengener Abkommen ist für EU-Bürger wohl eine der spürbarsten Verände-rungen des Alltags, welche der Staatenverbund mit sich gebracht hat. Benannt ist der Vertrag nach dem Luxemburger Ort, in welchem er unterzeichnet wurde. Die Planung eines Abbaus der Personenkontrollen an den Binnengrenzen wurde bereits 1985 be-schlossen. Am 19. Juni 1990 wurde dann das Übereinkommen zur Durchführung des Schengener Abkommens (SDÜ) von den Vertragspartnern Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden geschaffen.

Das Abkommen umfasst allerdings mehr als nur die Abschaffung der Personenkontrollen zwischen den Ländern. Es beinhaltet auch Maßnahmen, welche die Sicherheit der Außengrenzen des Schengen-Raumes verbessern und Abseits von Binnengrenzen, Kontrollmöglichkeiten schaffen sollen, damit ein Ausgleich für das Wegfallen der zwischenstaatlichen Kontrollen erreicht werden kann. Die Regelungen des Vertrages umfassen:

– Maßnahmen gegen grenzüberschreitenden Drogenhandel
– die Verbesserung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit
– Regelung von Auslieferung und Übertragung von Haftstrafen
– einheitliche Vorschriften für Einreise
– und Kurzaufenthalte von Ausländern sowie Asylfragen.

Das SDÜ trat 1993 in Kraft, wurde aber erst mit der Erfüllung der rechtlichen und technischen Voraussetzungen, wie der Schaffung des Schengener Informationssystems SIS I, 1995 in Kraft gesetzt. Im Amsterdamer Vertrag von 1997 wurde das Schengen-Protokoll mit aufgenommen und damit ging das Schengener Abkommen 1999 in die Kompetenz der EU über. Der Schengen-Raum besteht heute aus allen EU-Staaten, abgesehen von Zypern, Bulgarien und Rumänien. Des weiteren beteiligen sich Großbritannien und Irland nur an den Teilen des Abkommens zur Strafverfolgung und zum Informationsaustausch zwischen den Staaten. Die Nicht-EU-Staaten Norwegen, Island, Schweiz und Liechtenstein sind ebenfalls Mitglieder des Schengen-Raumes und nehmen immer in getrennten Tagungen, parallel zu den EU-Tagungen zum Schengen-Raum, teil.

Im Rahmen der Osterweiterung der EU kam es zu Kritik an der Aufnahme der neuen EU-Mitglieder in den Schengen-Raum, da die Nicht-Einhaltung der vertraglich vereinbarten Sicherheitsstandards befürchtet wurde. Auf Grund dieser Bedenken haben Zypern, Bulgarien und Rumänien bisher einen Beobachterstatus inne. Die Schaffung der Voraussetzungen für einen Schengen-Beitritt werden von der EU-Kommission regelmäßig geprüft. Allerdings zeigen Kriminalitätsstatistiken des BKA, dass es im Grenzgebiet zu Tschechien und Polen innerhalb Deutschlands nicht zu einem signifikanten Anstieg der Kriminalität kam, seit die Aufnahme der beiden Staaten erfolgte. Vielmehr führte die Kooperation mit den ausländischen Sicherheitsbehörden zu einer verbesserten Aufklärung von grenzüberschreitenden Straftaten.

Gründe für das Veto

Auf der Seite der Schengen-Staaten, insbesondere Deutschlands, ist die Besorgnis groß, dass es durch die im Schengen-Abkommen festgelegte Reisefreiheit zu einer verstärkten Armutszuwanderung aus Rumänien, insbesondere durch Sinti und Roma, kommen könnte. Auch entsprächen die technischen Standards der Grenzkontrollen noch nicht den Vertragsstatuten.

Vor allem führte Friedrich aber die Schwächen in der Justiz bei der Bekämpfung der Korruption in Rumänien als Grund für sein Veto an. Er bat die rumänische Seite darum, die Sicherheitsbedenken der Mitgliedstaaten anzuerkennen, da Schengen mehr als nur ein reines „Prestigeprojekt“ europäischer Integration sei, sondern echte gemeinsame Sicherheitsstandards benötige. Ebenfalls im Vorfeld der Konferenz schloss sich das finnische Parlament und der Innenminister Päivi Räsänen der Ankündigung seines deutschen Kollegen an.

Friedrich traf nach der Konferenz der Justiz- und Innenminister mit seinen Amtskollegen aus Österreich, Großbritannien und den Niederlanden zusammen, um sich über die Erfahrungen mit der Zuwanderung aus anderen EU-Staaten auszutauschen. Laut EU-Statistiken verzeichneten alle vier Staaten einen Zuwachs an rumänischen Einwanderern.

Zukunftsaussichten

Nach der erneuten Verschiebung wird die Entscheidung über einen Beitritt Rumäniens wohl frühestens im nächsten Jahr fallen. Friedrich kündigte an, dass er jetzt die Ergebnisse des CVM-Berichtes der EU-Kommission Ende des Jahres abwarten werde. Sein niederländischer Amtskollege Fred Teeven schloß sich ihm an und erklärte, dass er vor Dezember diesen Jahres keinen Grund für eine Neubewertung der Lage sehe. Die EU-Innenkommissarin Cecilia Malström wiederum forderte die Schaffung eines festen Zeitplans für die Einführung der rumänischen Vollmitgliedschaft. Sie verwies aber auch darauf, dass eine Entscheidung darüber nicht bei ihr, sondern bei der Ministerkonferenz liege.

Die Problematik der Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien könnte sich bald, so fürchten Politiker in mehreren EU-Staaten, unabhängig von der Schengen-Mitgliedschaft verschärfen. Mit dem Inkrafttreten der Freizügigkeit für EU-Bürger in beiden Staaten ab dem 1. Januar 2014 wird die Zuwanderung in andere EU-Staaten ermöglicht. Beim Eintritt Rumäniens und Bulgariens in die EU 2007 wurde für die Bürger beider Staaten die Freizügigkeit für bis zu sieben Jahre mit einer Sonderverordnung beschränkt. Danach gilt das gleiche Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes und des Wohnortes innerhalb der EU wie in allen Mitgliedsstaaten.