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EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik, Institutionen & Zukunftsdebatte

Lettland übergibt EU-Ratspräsidentschaft an Luxemburg | Die EBD war in Berlin dabei

Mittlerweile ist es 15 Jahre her, dass sich die EU den Millennium-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen verschrieb. Die gemeinsame Entwicklungspolitik hat seitdem zwar deutlich an Tiefe gewonnen, fristet dennoch oftmals eine scheinbare Zuschauerrolle zwischen Außen- und Wirtschaftspolitik. Mit dem diesjährigen europäischen Jahr der Entwicklung (EYD) wird auch deswegen der Übergang in eine neue inhaltliche Etappe – die sogenannte „Post-2015-Agenda“ – und damit weitere Aufwertung von europäischer Entwicklungspolitik angestrebt. Dies wurde auch bei der symbolischen Staffelübergabe der EU-Ratspräsidentschaft Lettlands an Luxemburg im Haus der Europäischen Kommission in Berlin am Montag deutlich.

Die EBD war ebenfalls vor Ort und präsentierte ausgewählte Schülerarbeiten aus dem Europäischen Wettbewerb 2015, der traditionell im Zeichen des Europäischen Jahres stand. Das Motto des aktuellen Jahres lautete denn auch „Europa hilft – hilft Europa?“. Tausende Schüler aus ganz Deutschland waren zur Teilnahme aufgerufen und hatten dazu auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl von Bildern, Texten und anderen Ideen eingeschickt, die thematisch von der Flüchtlings- und Umweltpolitik bis hin zur Bekämpfung der weltweiten Armut und nachhaltiger Energiegewinnung reichen. Eine ausgewählte Sammlung dieser Arbeiten wurde in der Vertretung der EU-Kommission ausgestellt, lieferte dem einen oder anderen Besucher sicherlich Ideen oder entlockte auch nur ein Schmunzeln.

Bevor die anberaumte Podiumsdiskussion starten konnte, wurden eine Reihe von Grußworten an das anwesende Publikum gerichtet. Zunächst meldete sich Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, per Videobotschaft zu Wort, dankte der lettischen Ratspräsidentschaft und wünschte den luxemburgischen Nachfolgern alles Gute. Vor Ort hieß Bernhard Schnittger, Leiter der Politischen Abteilung der Vertretung der Kommission in Deutschland, die Gäste nochmals persönlich Willkommen – unter ihnen die Botschafter beider Länder. Elita Kuzma, Botschafterin der Republik Lettland in Berlin blickte mit Freude auf die erfolgreiche Präsidentschaftspremiere des kleinen Baltenstaates zurück. Lettland habe einige nachhaltige Impulse zu Zukunftsthemen wie digitaler Binnenmarkt und Energieunion geliefert. Anschließend ergriff Georges Santer, Botschafter des Großherzogtums Luxemburg in Berlin, das Wort, dankte allen Beteiligten und warb für Vertrauen in die anstehende Ratspräsidentschaft des kleinen Ardennenstaates.

Die anschließende Podiumsdiskussion, moderiert von Tagesspiegel-Redakteurin Dagmar Dehmer,  stand im Zeichen der Halbzeit des Europäischen Jahres für Entwicklung. Dr. Rolf Steltemeier, Europa-Beauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, betonte gleich zu Beginn, dass jedes Europäische Jahr für die politischen Entscheidungsträger immer eine große Chance darstelle. Bestimmte Politikfelder könnten nicht nur präsenter in der Öffentlichkeit platziert, sondern auch transparenter und verständlicher für größere Teile der Gesellschaft dargestellt werden. Diese Aufmerksamkeit sei gerade für die oftmals belächelte, aber unerlässliche Entwicklungspolitik Gold wert.

Andris Piebalgs, Berater des Staatspräsidenten der Republik Lettland und ehemaliger EU-Kommissar für Entwicklung, lobte das bislang in der Entwicklungspolitik Erreichte, forderte aber sogleich noch stärkere Bemühungen in diesem Bereich. Zentrale Stichworte zukünftiger Entwicklungspolitik müssten beispielsweise Aspekte von Good Governance, globaler Menschenwürde und nachhaltiger Umweltpolitik sein. Gleichzeitig betonte Piebalgs, dass Entwicklungspolitik nicht alles leisten könne und solle. Die Bandbreite der Themen – von Umwelt über Armutsbekämpfung bis hin zu Bildung und Gesundheit – berge sonst die Gefahr, dass man sich letztlich auf keinen der Bereiche mit voller Hingabe konzentrieren könne. Hier gelte es, auch mal selbstbewusst Prioritäten zu setzen, so wie es die lettische Präsidentschaft getan habe.

Martine Schommer, Generaldirektorin der luxemburgischen Entwicklungszusammenarbeit, äußerte sich ähnlich. Entwicklungspolitik stehe nicht für sich alleine, sondern sei wichtiger Bestandteil nachhaltiger Außen-, Sicherheits- und Menschenrechtspolitik und daher zentral für Diplomatie und internationale Zusammenarbeit. Die Kritik an wirksamer Entwicklungspolitik sei insbesondere mit Blick auf transparente Finanzierung und Wirksamkeit daher zwar nicht unberechtigt, aber übertrieben. „Keine Entwicklungspolitik ist auch keine Lösung“, so ihre klare Meinung.

Das Publikum interessierte sich in der anschließenden Diskussion besonders für konkrete Aspekte der aktuellen Flüchtlingspolitik und welche Lösungsansätze gemeinsame Entwicklungspolitik diesbezüglich liefern könne. Das Podium war sich einig, dass Geld alleine kein zufriedenstellender Ansatz sei. Vielmehr müsse sich die europäische Gemeinschaft nun in Solidarität üben und unabhängig von den geführten Quotendiskussionen mehr Flüchtlinge aufnehmen. Diesen Standpunkt vertrat explizit auch Regierungsvertreter Steltemeier. Außerdem gelte es die Ursachen von Flüchtlingsbewegungen, Armut und Menschenrechtsverletzungen wirksamer zu ergründen und bessere Ansätze der Hilfe vor Ort zu entwickeln. Damit wurde zugleich die notwendige Agenda und gleichzeitige Herausforderung der ab Anfang Juli übernehmenden luxemburgischen Ratspräsidentschaft auf den Punkt gebracht.

Einen schönen Abschluss der Veranstaltung gab es als die Ratspräsidentschaft feierlich von Lettland an Luxemburg weitergegeben wurde. Als symbolisches Zeichen überreichte die lettische Botschafterin Kuzma ihrem Amtskollegen Santer das sogenannte „Europarad“. Tenor: „Das Rad der Nachhaltigkeit muss sich weiterdrehen.“