Letzte Sitzung unter portugiesischem Vorsitz mit wichtigen Ergebnissen | EBD De-Briefing Justiz und Inneres
Was wird die vorgeschlagene Stärkung des europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) zu einer vollwertigen Europäischen Asylagentur verändern und werden die Mitgliedstaaten zeitnah eine Allgemeine Ausrichtung zu diesem Verordnungsvorschlag beschließen können? Wie können europäische Gesetze auf den digitalen Raum übertragen werden und wer überprüft dies? Diese und weitere Themen standen auf der Tagesordnung der letzten Sitzung des Rates für Justiz und Inneres unter portugiesischem Vorsitz. Über die Ergebnisse der Ratssitzung berichteten Dr. Sebastian Jeckel, Leiter des Stabs EU im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und Isabel Schmitt-Falckenberg, Leiterin des EU-Stabs im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) beim De-Briefing der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) am 9. Juni 2021. Die digitale Veranstaltung, zu der sich 50 Teilnehmende zuschalteten, wurde von EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann moderiert.
Der Justizrat, der seit Längerem wieder physisch in Luxemburg tagte, habe sehr zufriedenstellende Ergebnisse erzielt, wie im De-Briefing betont wurde. Besonders hervorgehoben wurden dabei die Allgemeinen Ausrichtungen zu Forderungsübertragungen, zum e-Codex und zur Stärkung des Mandats der EU-Grundrechteagentur, die vom Rat beschlossen wurden. Der Verordnungsentwurf zu Forderungsübertragungen zielt darauf ab, für Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger mehr Rechtssicherheit bei der grenzüberschreitenden Abtretung von Forderungen zu schaffen und dadurch den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern und grenzüberschreitende Investitionen in der EU zu fördern. Das e-Codex System zur Digitalisierung der Justiz wird nun bei der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (EU-LISA) in Tallinn angesetzt. Das neue erweiterte Mandat der EU-Grundrechteagentur (FRA) in Wien, welche unter deutscher Ratspräsidentschaft am Veto Ungarns gescheitert war, wird nun auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ausgeweitet.
Des Weiteren hielt der Rat eine Aussprache zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte. Wie im De-Briefing berichtet wurde, gibt es trotz der Stützung der Rechtsgrundlage auf den Binnenmarkt für diese Verordnung noch einige rechtliche Punkte, auf die sich die Justizministerinnen und -minister einigen müssen.
Innerhalb des neuen Rechtsstaatsdialogs, der mit dem Fokus auf justizielle Angelegenheiten auch in dieser Ratsformation geführt wird, fokussierten sich die Justizministerinnen und -minister auf die Herausforderungen der Staatsanwaltschaften in Europa. Dabei wurde insbesondere die Frage nach der Ausstellung eines europäischen Haftbefehls und die Bezahlung und Unabhängigkeit von Staatsanwältinnen und -anwälten diskutiert. Ebenfalls begrüßte der Rat, dass die Europäische Staatsanwaltschaft in Luxemburg in vollem Umfang ihre Arbeit aufnehmen konnte.
Darüber hinaus waren weitere Themen die Ratsschlussfolgerung zum Thema „Schutz unter rechtlicher Fürsorge stehende Erwachsene“, die Orientierungsaussprache zu elektronischen Beweismitteln (e-evidence) und das Programm der slowenischen Ratspräsidentschaft. Zudem wurde die Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und die Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels der Europäischen Kommission debattiert.
Der Rat für Inneres erzielte ebenfalls Fortschritte bei seiner Sitzung am Folgetag. Zum Migrations- und Asylpaket wurde der Stand der Verhandlungen zur Einrichtung einer neuen Europäischen Asylagentur besprochen und eine Vorausschau zu einer möglichen Einigung einer Allgemeinen Ausrichtung unter portugiesischer Präsidentschaft gegeben. Als Kompromiss mit den fünf EU-Mitgliedstaaten am Mittelmeer („MED-5“ genannt) wurde ausgehandelt, dass eine Ratsposition zum Verordnungsvorschlag zur Einrichtung der Europäischen Asylagentur unabhängig von den Fortschritten zu den weiteren Legislativvorschlägen im Asyl- und Migrationspaket beschlossen werden kann. Die EU-Botschafterinnen und -Botschafter konnten somit am 16. Juni die Allgemeine Ausrichtung beschließen, sodass die Trilogverhandlungen nun beginnen können. In Bezug auf die Grundsatzpositionen der Mitgliedstaaten, wie zum Beispiel zur Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten, gab es keinen Verhandlungsdurchbruch.
Zum Verordnungsvorschlag zu einer vertrauenswürdigen Künstlichen Intelligenz (KI) wurden die Gesetzgebungskompetenzen der Europäischen Kommission diskutiert. Sie hatte im April bereits den weltweit ersten Rechtsrahmen für KI vorgelegt. Die Schengen-Strategie, die die EU-Kommission am 2. Juni als Mitteilung veröffentlicht hatte, wurde vom Rat grundsätzlich begrüßt. Einige Ministerinnen und Minister betonten allerdings, dass das Recht zur Verhängung von Grenzkontrollen weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegen solle.
Bei der anschließenden Diskussion des De-Briefings wurde die Einstellung der Mitgliedstaaten zu einer unabhängigeren geprüften Grenzkontrolle und die Rolle der gestärkten Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, in Bezug auf das Monitoring der EU-Mitgliedstaaten, bei der Grenzsicherung thematisiert.