Mehr EU-Budget wagen: EBD-Vorstand beschließt Leitantrag zur EBD-Politik 2017/18
Der Ort hätte im Bundestagswahljahr nicht besser gewählt sein können: In einem Saal des Paul-Löbe-Hauses des Deutschen Bundestags beriet der EBD-Vorstand heute über die Politischen Forderungen 2017/18. Nach teilweise kontroverser Diskussion über einzelne, letzte Punkte wurde in der letzten Sitzung vor der Mitgliederversammlung der Leitantrag zur EBD-Politik beschlossen.
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— Bernd ?? Hüttemann (@huettemann) May 19, 2017
Die politischen Leitlinien für die Arbeit im kommenden Jahr werden am 26. Juni von der Mitgliederversammlung beschlossen werden. In einem intensiven Konsultationsprozess, dessen erste Runde bereits im Januar begonnen hatte, hatten die EBD-Mitgliedsorganisationen Gelegenheit, im April bei mehreren EBD Exklusiv-Beratungen ihre Schwerpunkte einzubringen. „Demokratie ist mehr als Mehrheiten! Demokratie ist auch Beteiligung, ist Interessen einbinden und Konsens finden, ist Prozess“, brachte EBD-Vorstandsmitglied Frank Burgdörfer den auch hier gelebten Politikansatz der EBD auf den Punkt.
Der Leitantrag trägt wie im letzten Jahr den Titel „Europäisch denken, handeln und regieren“ – und das aus gutem Grund: Die Basis der EBD-Politik wurde 2016 neu strukturiert und verabschiedet, jetzt wird sie fortgeschrieben und aktualisiert. „Das ist das, was in Deutschland zur Europapolitik gedacht wird“, formulierte EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann eingangs den Anspruch. Kein Wunder, dass die Diskussion bei der heterogenen Mitgliederschaft nicht ohne Kontroversen verlief, einige Änderungen wurden einzeln abgestimmt. Obwohl die 14 Forderungen bereits mehrfach überarbeitet worden waren, gab es noch immer bei einigen im Vorstand repräsentierten Vertreterinnen und Vertretern der EBD-Mitgliedsorganisationen inhaltlichen Änderungsbedarf, etwa bei den Themen EU-Haushalt, Handelspolitik und Mitbestimmung.
„Warum sind wir nicht mutig und machen uns ehrlich?“, fragte EBD-Vizerpäsident Michael Gahler MdEP in die Runde und schlug vor, neben der Ausrichtung des EU-Budgets an Prioritäten eine echte Vergrößerung des EU-Haushalts zu fordern. Angesichts wachsender Herausforderungen und auch des Ausstiegs Großbritanniens seien die gewachsenen Aufgaben mit den gegebenen Mitteln gar nicht zu bewältigen. „Wenn man das in Zahlen ausdrückt, sieht man doch, dass man mit einem Prozent des BIP nicht auskommt. Ohne die Briten kommen wir schon allein auf 1,2 Prozent!“ Bevor man nach mehr Geld rufe, müssten erst einmal die bestehenden Haushaltsposten auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden, kritisierten andere. Der gemeinsam erarbeitete Textvorschlag wurde dann aber – mit eingebauter Aufgabenkritik, aber ohne genaue Prozentangabe, um wie viel der EU-Haushalt wachsen soll – einmütig gebilligt.
Unser VP Gahler fordert eine bessere Ausstattung des #EUBudget da mehr von EU verlangt wird. ?#EBDpolitik #EBDVor
— Bernd ?? Hüttemann (@huettemann) May 19, 2017
Beim Thema Bessere Rechtsetzung sei zudem die intransparente Plattform „REFIT“ deutlicher zu kritisieren, wurde angeregt. Auch hier wurden noch klarere Anforderungen formuliert, um den Prozess und die Beteiligung gesellschaftlicher Kräfte zu verbessern.
Ebenfalls klarer formuliert werden müsse, auch angesichts des jüngsten EuGH-Urteils, die Forderung zur Handelspolitik, regte Günter Lambertz an. „Die reine Handelspolitik muss weiter der europäischen Ebene überlassen sein. Wenn 40 Parlamente ein Vetorecht haben bei einer Sache, die für das Ansehen Europas wichtig ist, ist das kein Fortschritt.“ Nach einer Kontroverse über die Interpretation „gemischter Abkommen“ und „angemessene“ parlamentarische Repräsentanz einigte man sich auf einen Kompromiss – den sachlichen Verweis auf das Urteil und seine weitreichenden Folgen für die internationale Handlungsfähigkeit Europas.
Einigen im Vorstand ging die Forderung nach Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre (auf europäischer Ebene) zu weit, andere wiesen darauf hin, dass die EU dies sogar als Anregung in die Mitgliedstaaten gibt und das „Mitnehmen“ der jungen Leute die EU erst zukunftsfähig mache. Am Ende musste abgestimmt werden: Mit neun zu vier Stimmen blieben die 16 Jahre im Entwurf, am 26. Juni haben die Delegierten dann das letzte Wort.
Die Politischen Forderungen 2017/18 in Überschriften:
- Die europäischen Werte achten!
- Europa-Kommunikation verbessern, Populismus bekämpfen!
- Europäisches Bewusstsein stärken, Europa bilden!
- Die EU demokratisieren, Mitbestimmung stärken!
- Gute EU-Rechtsetzung braucht Transparenz und Gründlichkeit!
- Vorreiterin bleiben: Gleichstellung auf allen Ebenen!
- Soziale Standards erhöhen durch Innovation und Wettbewerbsfähigkeit!
- Für einen Binnenmarkt der Zukunft!
- EU-Politiken fit machen für Nachhaltigkeitsziele und Klimavertrag!
- Groß im Großen: EU-Haushalt an Prioritäten ausrichten!
- Offene Grenzen innerhalb eines vereinten Europas!
- Gemeinsam handeln in der Flüchtlings-, Asyl- und Migrationspolitik!
- Europa gemeinsam verteidigen!
- Für eine moderne deutsche Europapolitik!
Die Abstimmung über den Leitantrag am Ende der Debatte fiel eindeutig aus: Alle dafür, keine Gegenstimmen oder Enthaltungen. Die letzten Änderungswünsche und Formulierungen einzuarbeiten, diese Aufgabe übertrug der EBD-Vorstand dem Generalsekretär und seinem Redaktionsteam. In Kürze wird dann der fertige Leitantrag auf der Seite zur EBD-Mitgliederversammlung nachzulesen sein.
Mehrere Vorstandsmitglieder würdigten ausdrücklich den pluralistischen Ansatz der EBD Konsultation: „Toll, dass die EBD mit ihrer heterogenen Mitgliederschaft es schafft, sich konsensual auf Politische Forderungen zu einigen“, sagte etwa Tobias Köck. „Ich kann, auch wenn meine Organisation, der DBJR, nicht in allem mitgehen würde, gut mit dem Dokument leben. Es ist sehr wertvoll für uns, mit der Forderung zur Bildung in den Bundestagswahlkampf zu gehen und sagen zu können: Die EBD ist mit uns gemeinsam unterwegs, hier Europa zu gestalten.“ Trotz des großen Konsenses „erstaunlich viel Konkretes“ fand auch Gabriele Bischoff in dem Leitantrag.
Zu Beginn der Vorstandssitzung gab es wie immer in der „Aktuellen Viertelstunde“ Gelegenheit, sich zur europapolitischen Lage auszutauschen. Hauptthema hier war natürlich die Wahl in Frankreich. „Ein Drittel der Stimmen für eine rechtsradikale Partei von Europagegnern, das ist immer noch gefährlich viel“, bilanzierte EBD-Präsident Dr. Rainer Wend das Wahlergebnis. Auf der anderen Seite habe Präsident Macron die Wahlen mit einem bewusst europafreundlichen Programm gewonnen. „Das ist ja auch nicht selbstverständlich, wenn man sich andere Länder anschaut.“ Einigkeit herrschte darüber, dass Emmanuel Macron jetzt dazu verdammt sei, Erfolg zu haben, auch im Blick auf die anstehenden Parlamentswahlen. Es sei nun auch an Deutschland, einen Beitrag zu diesem Erfolg zu leisten. Reformen seien jedoch die Voraussetzung dafür, die müsse Frankreich zunächst aus eigener Kraft durchführen, betonte EBD-Vizepräsident Michael Gahler: „Frankreich braucht so eine Art Agenda 2010, da können wir ihm relativ wenig helfen. In anderen Bereichen müssen wir schauen, was wir gemeinsam machen können.“
Andere Vorstandsmitglieder wie Tobias Köck wiesen darauf hin, dass sich nicht nur in Frankreich Teile der Gesellschaft und der Jugend abgehängt fühlten. Den Dialog mit ihnen zu suchen, sie zu überzeugen sei die zentrale Herausforderung, wenn Europa eine Zukunft haben solle. „Es kommt darauf an, klarzumachen, dass Europa alle Menschen in den Blick nimmt und keine Politik nur für Eliten macht“, fasste es Gabriele Bischoff zusammen.
EBD-Vizepräsident Axel Schäfer MdB, auf dessen Initiative der EBD-Vorstand diesmal im Paul-Löbe-Haus tagte, forderte, die Pro-Europäer müssten aus der Defensive kommen. „Macron hat bewiesen, dass das Erfolg verspricht, und außerdem kennt man das ja aus dem Fußball: Wenn man nur defensiv spielt, kann man keine Tore schießen.“
Weitere Themen auf der Agenda:
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