Nachgefragt bei… Anne-Marie Descôtes
Mit dem Format „Nachgefragt bei“ kommen regelmäßig europapolitische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort. Heute heißt es: Nachgefragt bei… Anne-Marie Descôtes, französische Botschafterin in Deutschland.
Frau Descôtes, am 1. Januar übernahm Frankreich für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Welche Prioritäten setzt das Programm der Ratspräsidentschaft?
„Wir haben drei Prioritäten: Erstens, ein souveränes Europa, das seine Grenzen effektiv kontrollieren soll und seine Verteidigungspolitik verschärft. Zweitens, die Weichen stellen für ein neues europäisches Wachstumsmodell, mit dem Ziel, dass Europa in der Zukunft ein Kontinent der Produktion und der Innovation sein wird, dass Europa seine wirtschaftliche Entwicklung und Klimaambitionen in Einklang bringt, und letztlich, dass Europa hochwertige und besser bezahlte Arbeitsplätze für seine Bevölkerung schafft. Drittens, ein menschliches Gesicht für Europa, sodass wir unseren Mitmenschen ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln, weil das europäische Projekt nur dank des gesellschaftlichen Zusammenhalts lebt.“
Was erhoffen Sie sich von und für Ihre Ratspräsidentschaft?
„Neben den drei Hauptprioritäten, die wir festgelegt haben und mit denen wir dazu beitragen möchten, das Europa von 2030 vorzubereiten, werden wir selbstverständlich an die Tätigkeit unserer Vorgänger anknüpfen, um die wichtige laufende Gesetzgebungsarbeit in Europa voranzubringen. Dabei denke ich besonders an die zahlreichen Gesetzestexte des Programms „Fit for 55“ zur Bekämpfung des Klimawandels, an den Digital Services Act und den Digital Market Act im Bereich Digitales sowie an den europäischen Mindestlohn als wichtiges Symbol. Bei all diesen Themen werden wir uns natürlich mit den europäischen Institutionen und den anderen Mitgliedstaaten abstimmen.“
Inwieweit beeinflusst die französische Präsidentschaftswahl die frz. EU-Ratspräsidentschaft?
„Der zeitliche Rahmen, der uns für politische Initiativen bleibt, ist eng, bis Mitte März. Im Vorfeld der Wahlen – denn neben der Präsidentschaftswahl steht auch die Neuwahl der Nationalversammlung an – ist die Regierung traditionell zu diplomatischer Zurückhaltung verpflichtet. Doch wir werden über die gesamten sechs Monate der französischen EU-Ratspräsidentschaft unserer Aufgabe vollumfänglich nachkommen, um Europa voranzubringen, insbesondere über die Gesetzgebungsarbeit.“