Nachgefragt bei… Daniel Freund
Mit dem Format „Nachgefragt bei“ kommen regelmäßig europapolitische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort. Heute heißt es anlässlich der aktuellen Korruptionsvorwürfe gegen Mitglieder des EU-Parlaments: Nachgefragt bei … Daniel Freund, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe Anti-Korruption im Europaparlament sowie Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen.
Wieso ist Transparenz wichtig in einer Demokratie und welche Gefahr stellt Korruption zurzeit in der EU und den Mitgliedstaaten dar?
„904 Milliarden Euro Schaden hat Korruption 2018 EU-weit verursacht, fand eine Studie; 1,772 Euro pro EU-Bürger*in pro Jahr. Noch schlimmer: wenn Skandale wie um die ehemalige EP-Vizepräsidentin Kaili den Eindruck machen, viele seien irgendwie korrupt, geht Vertrauen in unsere Demokratie kaputt. Ausgerechnet, wo wir sie so dringend brauchen, um die Klimakatastrophe zu verhindern, und dafür sozialen Zusammenhalt zu organisieren.“
Welche Regeln gibt es im Europaparlament, die Korruption in der Institution verhindern sollen und wie werden sie durchgesetzt?
„EP und Kommission haben vergleichsweise gute Regeln. Sie werden aber kaum durchgesetzt. Abgeordnete, die an EU-Entscheidungen mitschreiben, müssen ihre Lobbytreffen offenlegen. Das tut bisher aber nur die Hälfte. Und Katar sowie andere Drittstaaten sind bisher von allen Transparenzregeln ausgenommen. Die Verhaltensregeln für Abgeordnete wurden 25-mal gebrochen, es gab aber nur eine einzige Sanktion. Die Kontrolle allein durch fünf andere Abgeordnete ist zu wenig unabhängig. Kontrolleure fragen nicht mal nach, an wen Abgeordnete “Beratung” verkaufen. Bestechungsgelder sind bisher für Abgeordnete zu leicht versteckbar, weil sie Nebeneinkünfte, aber nicht ihre Vermögensverhältnisse offenlegen müssen.“
Wie muss die EU reagieren, um einen Ansehensverlust des Europaparlaments in der öffentlichen Wahrnehmung vorzubeugen? Welche konkreten Regeln sollten das Europaparlament – aber auch der Rat der EU und die Europäische Kommission – implementieren, um der Gefahr durch Korruption zu begegnen?
„Das Europaparlament ist zu anfällig für intransparente Einflussnahme. So wie bisher darf es nicht weitergehen. Wir brauchen jetzt eine Reform der Lobbyregeln, damit der Einfluss von Dritten auf die europäische Demokratie transparent wird. Lobbying von Drittstaaten gehört ins Lobbyregister. Vermögensverhältnisse von Abgeordneten sollen offengelegt werden. Abgeordnete sollen abkühlen bevor sie in Lobby-Anschlussjobs wechseln. Regeln sollen von einer unabhängigen Ethikbehörde kontrolliert werden. Die EU-Kommission muss mehr als ein Jahr nach der Parlamentsposition für eine Ethikbehörde endlich den Vorschlag vorlegen. Der Rat sollte sich dem anschließen.“