Nachgefragt bei… Dr. Thu Nguyen
Mit dem Format „Nachgefragt bei“ kommen regelmäßig europapolitische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort. Heute heißt es: Nachgefragt bei… Dr. Thu Nguyen, Policy Fellow für EU-Institutionen und Demokratie am Jacques Delors Centre in Berlin.
Frau Dr. Nguyen, welche Bedeutung hat das EuGH-Urteil zum Rechtsstaatsmechanismus für die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit in der EU?
Mit dem Rechtsstaatsmechanismus kann die EU-Kommission gezielt Gelder sperren, wenn Mitgliedstaaten gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen und so die ordnungsgemäße Verwendung von EU-Mitteln gefährden. Mit dem EuGH-Urteil wird sie nun politisch unter starken Druck geraten, dieses sehr nützliche Instrument innerhalb der nächsten Wochen auch tatsächlich anzuwenden. Gleichzeitig wird der Mechanismus aber nicht alle Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit rückgängig machen können. Denn dies würde bedeuten, in jedem einzelnen Fall eine Verbindung zum EU-Haushalt herzustellen.
Wie beurteilen Sie die vorhandenen EU-Instrumente, um Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Rechtsstaatlichkeit zu sanktionieren? Funktionieren diese bzw. reichen diese aus, um die EU als Wertegemeinschaft angemessen zu schützen?
Die EU hat eine gute und breite Werkzeugkiste zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit zu ihrer Verfügung. Nun geht es vor allem darum, diese auch anzuwenden. Das gilt neben dem neuen Rechtsstaatsmechanismus auch für die anderen Instrumente der EU, insbesondere die bisher noch ausstehende Genehmigung der polnischen und ungarischen Aufbau- und Resilienzpläne unter dem Wiederaufbauinstrument: Denn mit ihr hält die Kommission auch weiterhin ein milliardenschweres Druckmittel gegen Polen und Ungarn in den Händen, das sie dementsprechend nutzen sollte.