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Europakommunikation, Institutionen & Zukunftsdebatte

Nachgefragt bei… Dr. Undine Ruge

Mit dem Format „Nachgefragt bei“ kommen regelmäßig europapolitische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort. Heute heißt es: Nachgefragt bei… Dr. Undine Ruge, europapolitische Beraterin des Bundeskanzlers.

Foto: Bundeskanzleramt

Frau Dr. Ruge, welche europapolitischen Herausforderungen erwarten die neue Bundesregierung in den nächsten vier Jahren? Welche europapolitischen Aufgaben wird die neue Bundesregierung prioritär angehen?

„Für mehr Zusammenhalt und Souveränität in Europa müssen wir in unsere eigene politische, wirtschaftliche und technologische Stärke investieren. Dazu zählt, dass wir beim Klimaschutz und bei der Digitalisierung vorankommen. Für die konkrete Umsetzung dieses Weges müssen wir noch einige EU-Mitgliedstaaten gewinnen. Auch wollen wir dem sozialen Europa wieder mehr Gewicht verleihen und müssen bei großen Baustellen wie der Reform der europäischen Migrationspolitik endlich vorankommen. Hier – und auch in vielen anderen Bereichen – gibt es Anknüpfungspunkte mit dem Programm der französischen Ratspräsidentschaft, die Deutschland unterstützen will. Und ganz aktuell ergeben sich zahlreiche Synergien mit der DEU G7-Ratspräsidentschaft, unter anderem in der Klimapolitik: Hier wollen wir mit einem internationalen Klimaclub vorankommen. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt: Wir sind nur erfolgreich, wenn wir uns unterhaken und zusammen stehen. Sie hat uns aber auch gezeigt: Wir müssen als Europäische Union souveräner und resilienter werden. Auch in diesen Feldern will die französische Ratspräsidentschaft Fortschritte machen und hat dabei unsere Unterstützung. Ich hoffe, dass auch die Konferenz zur Zukunft Europas, dass insbesondere die in diesem Rahmen entstehenden Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger Europas, Schritte auf diesem Weg darstellen.“

Wie genau möchte die Bundesregierung eine „stringentere Koordinierung“ ihrer Europapolitik umsetzen, die im Koalitionsvertrag als Ziel verankert wurde?

„Die stringentere Koordinierung der Europapolitik wurde im Koalitionsvertrag nicht nur als Ziel verankert, sondern ist auch in der Sache, in den verschiedenen Kapiteln bereits verankert. Wenn man sich den Koalitionsvertrag mal durchliest, sieht man sofort, dass Europa nicht nur im Europakapitel vorkommt, sondern in praktisch allen Politikbereichen. Europa ist eine Querschnittsaufgabe – die europäische Dimension ist so gesehen ein Teil der Innenpolitik. Hier setzt die Bundesregierung ein klares pro-europäisches Zeichen und macht die Bedeutung der Europäischen Union für unser aller Alltag sichtbar. Gut: Die inhaltliche Festlegungen sind das eine, aber das Verfahren, die konkrete Umsetzung ist natürlich das andere, auf das es ankommt. So verstehe ich ja auch Ihre Frage. Auch dazu sind im Koalitionsvertrag die entscheidenden Weichenstellungen gemacht. Zu einer stringenteren Koordinierung gehört natürlich zuerst einmal, dass wir uns eindeutig und frühzeitig zu Vorhaben der Europäische Kommission positionieren. Aber natürlich auch, dass wir dann unsere Position in den weiteren Beratungen im Rat und mit dem Europäischen Parlament gut und konstruktiv in Brüssel vertreten. Das wird in den bewährten Verfahren zwischen den Ressorts abgestimmt – denn wir können und wollen ja nicht die Prinzipien unseres Grundgesetzes über Bord werfen. Wichtig ist dabei aber, dass die Bundesregierung sich eng, zielorientiert und sehr regelmäßig auf den verschiedenen Ebene (Staatssekretär:innen, Abteilungsleiter:innen, Fachebene) koordiniert. Diese Verfahren haben wir in den ersten Tagen und Wochen der neuen Bundesregierung gleich (wieder) auf den Weg gebracht. Und das ist auch das gemeinsame Verständnis der gesamten Bundesregierung – vorausschauend in der Sache, getragen von gegenseitigem Respekt und natürlich vom Verständnis des Koalitionsvertrags, auch in der Europapolitik „mehr Fortschritt zu wagen“.“

Welche Rolle sollte Deutschland aus Ihrer Sicht in Europa zukünftig spielen?

„Deutschland ist weiter als der Mittler in Europa gefragt – das zieht sich als roter Faden durch die europapolitischen Gespräche des Bundeskanzlers. Deutschland bildet, auch aufgrund unserer Geschichte, eine geographische, und auch eine politische Brücke. Dieser Ausgleich ist wichtig, damit wir immer wieder neu zu Kompromissen kommen können, und dabei im Blick behalten, was die Europäische Union so besonders macht: Uns einen unsere Interessen, vor allem aber auch unsere Werte. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Europäischen Union, das wir bewahren müssen. Natürlich ist dabei ein Grundstein die deutsch-französische Freundschaft. Hier haben Bundeskanzler Scholz und der französische Präsident Macron bereits deutliche Zeichen ihrer engen Verbundenheit gesetzt.“

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