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Nicht nur Transparenz, sondern echter Durchblick | EBD Dialog mit Emily O’Reilly

Einen fesselnden Rundumblick zu den EU-Gesetzgebungsprozessen – und Themen von Trilog bis Fake News – erhielten die zahlreichen Teilnehmenden am EBD Dialog mit der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly. Die Debatte fand in enger Zusammenarbeit mit dem Informationsbüro des Europäischen Parlaments statt.

Nach der Begrüßung durch Laila Wold, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit im Informationsbüro des Europäischen Parlamentes in Berlin, stellte die seit 2013 amtierende Ombudsfrau Emily O’Reilly ihre Aufgaben, Kompetenzen und Wirken selbst vor. Besonders betonte sie hierbei die Stärke ihres Amts, eigeninitiativ Investigationen zu starten, Zugang zu Dokumenten bei den Institutionen anzufordern und zu veröffentlichen. Die größte Schwäche des Amts läge allerdings in der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit, da nur Empfehlungen abgegeben werden könnten. Auch einige Statistiken hatte die Ombudsfrau im Gepäck. Jedes Jahr gehen tausende Anträge ein, von denen ein großer Anteil an die Mitgliedsstaaten zurück gewiesen werde: Die Europäische Bürgerbeauftrage ist nur für Untersuchungen gegen die EU-Institution, nicht Privatperson, zuständig. Kläger können jedoch sowohl Individuen als auch juristische Personen, also beispielsweise eine NGO, sein. Aus der Fülle von Beschwerden werden pro Jahr etwa 300 Nachforschungen gestartet, woraufhin das Handeln der Kommission auf Übereinstimmung mit geltenden Verfahren anteilig am häufigsten überprüft werde. Fokus der  Klagen liege auf verweigertem oder eingeschränktem Zugang zu Dokumenten.

Emily O‘Reillys Analyse zeigte auch auf, dass Mitgliedstaaten geneigt sind, Erfolge für sich zu reklamieren und Misserfolge sowie Probleme der EU zuzuschreiben. Ein Zuwachs an Transparenz in der Arbeitsweise aller Institutionen würde hierbei große Vorteile bringen: Dies kann sowohl die Akzeptanz erhöhen als auch die Kenntnisse der Bevölkerungen über Zuständigkeiten und in vielen Bereichen die begrenzten Möglichkeiten der EU-Institutionen erweitern.

Im Fokus der anschließenden lebhaften Diskussion, moderiert von EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann, stand zunächst die nunmehr gängige Praxis, Gesetze im Trilog zu verabschieden, anstatt im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. In seinem Erstkommentar bemängelt Hartmut BäumerStellvertretender Vorsitzender im Vorstand von Transparency International Deutschland dies, und unterstrich auch die EBD-Politik: Gute Rechtssetzung braucht Transparenz und Gründlichkeit. Die Institutionen sind aktuell von der Europäischen Bürgerbeauftragten aufgefordert, bis Juni den Zugang zu Ihren Dokumenten zu erläutern. In der Diskussion wurde deutlich, die Crux liege in der notwendigen Abwägung zwischen Prozessbeschleunigung und Rechenschaftspflicht. Die Ombudsfrau sieht daher den Trilog teilweise als „Opfer seines eigenen Erfolgs“. Die Europäische Bürgerbeauftragte setzt sich dafür ein, dass in Zukunft klarer und transparenter ist, welcher Trilog wann, wo und mit wem stattfindet. Der Rat, die Kommission und das Parlament sind dahingehend aufgefordert, eine gemeinsame Datenbank zu entwickeln. Die Dokumente zu den Verhandlungen sollen ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die Ombudsfrau stimmte mit den kritischen Fragen des Publikums überein, dass die bevorstehenden Brexit-Verhandlungen so transparent wie möglich begleitet werden müssten. Insbesondere der Umgang mit TTIP habe gezeigt, wie wichtig es sei, die Zivilgesellschaft und Bürgerinnen und Bürger in politische Debatten einzubinden. Demnach stünden sowohl die nationalen Parlamente, Politiker und Multiplikatoren in der Pflicht. Sorgfältigkeit im Umgang mit den (sozialen) Medien obliege wiederum uns allen. Kontroversen in öffentlichen Debatten können schließlich auch dazu beitragen, Kenntnisse über und Transparenz in den Gesetzgebungsprozessen zu erhöhen. Offene, ehrliche und transparente Debatten sind für Verständnis und Diskurse zur EU wünschenswert.

Hinsichtlich des Transparenzregisters forderte Emily O’Reilly den inhaltlichen und personellen Ausbau desselbigen. Wichtig sei hier jedoch, darauf zu achten, dass das Register einen echten Mehrwert für Transparenz schafft und mehr als nur Treffen oder Daten listet. Die Ombudsfrau begrüßte die Praxis einiger Mitgliedsstaaten, Interessensvertreter im Vorfeld aufzufordern, ihre Gesprächsziele darzulegen.

Emily O’Reilly betonte, dass sie keine politische Rolle einnehme, sondern lediglich in einem politischen Umfeld mit politischen Konsequenzen agiere. Manchmal werde die Institution der Europäischen Bürgerbeauftragten vorgeworfen zum EU-Skeptizismus beizutragen. Hier verwies O’Reilly jedoch darauf, dass sie nicht nur anprangere, sondern auch vorbildliche Entwicklungen herausstelle. Ihre Rolle sei jedoch keinesfalls Öffentlichkeitsarbeit für die EU zu betreiben, sondern diese offen zu kritisieren, um sie nachhaltig im Sinne aller EU-Bürger zu verbessern.