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Europäische Wertegemeinschaft, Institutionen & Zukunftsdebatte

Rom nach der Wahl: Italien bleibt proeuropäisch!

Wohin sich Italien nach den Wahlen wendet, ob anti- oder proeuropäisch, politisch gelähmt oder nicht ist noch ungewiss. Fest steht, dass es ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen geben wird, zumal nicht nur Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis für eine Überraschung gesorgt hat. Doch die Europäischen Bewegungen in Deutschland und Italien sehen Positives im Wahlausgang und laden daher ab Freitag zum deutsch-italienischen „Zukunftsdialog Europäische Union“.

Bersani – Berlusconi – Grillo – Monti: Dieser Zieleinlauf bei der Italien-Wahl lässt die politischen Kommentatoren in Rom und Berlin das Schlimmste befürchten. Von „Unregierbarkeit“ ist die Rede, und davon, dass Europa in Gefahr ist, wenn die drittgrößte Volkswirtschaft des Kontinents politisch gelähmt ist. Die Anfälligkeit des italienischen Wahlvolks für politischen Populismus wird in den Medien beklagt: Immerhin holte die Anti-Parteien-Partei des Komikers Beppe Grillo aus dem Stand 25,55 Prozent im Abgeordnetenhaus bzw. 23,79 Prozent (im Senat) und der Staatskrisenverursacher Silvio Berlusconi legte mit seinem Mitte-Rechts-Bündnis eine beispiellose Aufholjagd hin, die ihm im Senat 30,72 Prozent und im Abgeordnetenhaus 29,18 Prozent bescherte. Pier Luigi Bersanis Mitte-Links-Bündnis konnte trotz der Favoritenrolle nur im Abgeordnetenhaus mit 29,54 Prozent der Stimmen punkten (Senat: 31,63 %). Das umstrittene italienische Wahlrecht verschafft Bersanis Lager als der führenden Liste in dieser ersten Kammer zwar einen automatischen Mehrheitsbonus, doch in der zweiten Kammer, im Senat, konnte keine der Listen die absolute Mehrheit erringen – es drohen das Patt und möglicherweise Neuwahlen.
„Ich weiß nicht, ob Italien bald eine stabile Regierung haben wird, aber es ist sicher, dass der intensive Reformkurs nicht verschoben werden kann. Das ist auch für unsere europäischen Partner sehr wichtig. Als interessant zu bewerten ist, dass ganz neue politische Kräfte auftauchen, die mehr auf aktive Bürgerschaft und partizipatorische Demokratie setzen als auf passive Video-Oligarchie“, bilanziert Dr. Stefano Milia, Generalsekretär der Europäischen Bewegung Italien (CIME). „Ich bin überzeugt, dass am Ende gerade aus Italien eine interessante Dynamik entstehen könnte. Sie wird die Forderung nach mehr Demokratie in der Funktionsweise der Europaischen Union stärken.“

Haben die Konsolidierungsbemühungen der Regierung Monti, dessen Bewegung „Mit Monti für Italien“ mit 10,56 Prozent der Stimmen (Senat: 9,13 %) abgeschlagen hinten liegt, Italien nach Berlusconis Misswirtschaft nur vorübergehend aus der Krise geholt?
Die entstandene Patt-Situation lässt das befürchten. Besorgt verfolgen die europäischen Nachbarn die Regierungsbildung südlich der Alpen – das hektische Auf und Ab an den Börsen scheint den Wirtschaftsexperten recht zu geben, die bereits eine neue Krise der Eurozone kommen sehen. „Viele sprechen von einem Gewinn der Antieuropäer. Wer aber das zutiefst proeuropäische Italien kennt und gleichzeitig weiß, wie sehr gerade junge Menschen unter den verschleppten Reformen ihrer Eltern und Großeltern leiden, kann auch Hoffnung schöpfen“, so EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann. Er plädiert für Pragmatismus: „Es gibt mehr pro-europäische Kräfte als mancher glauben mag“, sagt er mit Blick auf den deutsch-italienischen „Zukunftsdialog Europäische Union“, zu dem die Europäische Bewegung Italien (CIME) und die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) am 1./2. März nach Rom einladen.
Während in Rom die Möglichkeiten der Regierungsbildung ausgelotet werden, sondieren die Europäischen Bewegungen Italiens und Deutschlands dort ab Freitag, wie das europapolitische Aktionsprogramm für die neue Regierung aussehen könnte. Die inhaltliche Arbeit des Zukunftsdialogs werden die beiden Präsidenten von CIME, Dr. Virgilio Dastoli, und EBD, Dr. Rainer Wend, mit einem offenen Brief beginnen.  Unter der Schirmherrschaft der beiden Außenministerien versammeln sich je 15 hochrangige Vertreterinnen und Vertreter beider Länder, um Themenkomplexe wie „Governance für die EU“, „Interessen aus Wirtschaft und Gesellschaft“ sowie „Zusammenarbeit für eine ‚road map‘ für EU- Reformen“ zu diskutieren.

Staatspräsident Giorgio Napolitano und Ministerpräsident Mario Monti werden zeitweise am Dialog teilnehmen. Am Runden Tisch im Präsidentenpalast Quirinale treffen sich also Politik, Wirtschaft und Interessengruppen, unter anderem vertreten durch die Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Gianni Pitella, MdEP und Rainer Wieland, MdEP, sowie den ehemalige Vizepräsident des Europäischen Konvents und Ministerpräsident a.D., Prof. Giuliano Amato, und den Präsidenten der Europäischen Bewegung International, Jo Leinen, MdEP. Das italienische Außenministerium wird durch Generalsekretär Michele Valensise, das Auswärtige Amt durch Europaabteilungschef Michael Clauß vertreten.

Gerade in Krisenzeiten sei es wichtig, sich auf die gemeinsamen europapolitischen Traditionen zu besinnen, betonten die beiden Generalsekretäre Dr. Stefano Milia (CIME) und Bernd Hüttemann (EBD): Italien und Deutschland hätten sich schließlich in der Geschichte Europas immer wieder als besonders integrationsfreundlich erwiesen. „Der Mut zu einer verstärkten Zusammenarbeit ist nun gefragt. Dies geht aber nur, wenn Politik, Gesellschaft und Wirtschaft die Fundamente für eine neue Politische Union breit diskutieren“, so Milia und Hüttemann.