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COVID-19 Politik, EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik, Europäische Wertegemeinschaft, Europakommunikation, Institutionen & Zukunftsdebatte

Schnelle Einigkeit zu Sanktionen gegen Belarus-Regime im Fokus | EBD De-Briefing Europäischer Rat

Die Festnahme des belarussischen Journalisten Raman Pratasewitsch und seiner Partnerin Sofia Sapega nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Fluges nach Minsk rückte die Agenda der Sondertagung des Europäischen Rates an den darauffolgenden beiden Tagen, am 24. und 25. Mai 2021, in einen außenpolitischen Fokus. Beim De-Briefing der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) am 26. Mai stellten Axel Dittmann, stv. Leiter der Europaabteilung im Auswärtigen Amt und Dr. Kirsten Scholl, Leiterin der Abteilung für Europapolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Ergebnisse des zweitägigen Gipfeltreffens vor. Erstkommentare hielten Dr. Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland und EBD-Vizepräsident Christian Petry MdB. Moderiert wurde die Videokonferenz mit 110 Teilnehmenden von EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann

Zusätzlich zur scharfen Verurteilung der Entführung Pratasewitschs und Sapegas sowie der Forderung nach der unverzüglichen Freilassung der beiden, beauftragte der Europäische Rat den Rat für Auswärtige Angelegenheiten, Wirtschaftssanktionen und gezielte Sanktionen von Personen und Organisationen in Belarus sowie eine Sperrung des europäischen Luftraums für belarussische Airlines zu beschließen. Ebenso empfahl der Europäischen Rat den Fluggesellschaften in der EU, den belarussischen Luftraum bis auf Weiteres zu meiden. 

Wenn Belarus zu einem demokratischen Prozess zurückkehren und Reformen in der Hinsicht implementieren würde, sei langfristig aber auch ein Positivszenario möglich, in dessen Rahmen weitere Transformationsschritte durch EU-Fördergelder unterstützt werden könnten. EBD-Vizepräsident Petry begrüßte das zügige, geschlossene Vorgehen der EU als Reaktion auf die Flugzeugentführung. Er nutzte das Beispiel für Kritik an der sonst oft unzureichenden Reaktion der EU auf – den jüngsten Ereignissen ähnelnde – Situationen, da die Vetologik in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ein effektives Vorgehen erschwere. Langfristig müssten, etwa über die Konferenz zur Zukunft Europas, Handlungsoptionen entstehen, die eine institutionelle Weiterentwicklung und damit insbesondere eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der GASP ermöglichen.

Bezüglich der EU-Russland-Beziehungen bekräftige der Europäische Rat bei seiner Sitzung die fünf Prinzipien, die der Rat der EU 2016 auf Vorschlag der damaligen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini billigte und die bis heute den Umgang der EU-Russland-Politik bestimmen. Der Europäische Rat verurteilte mit klaren Worten in der Schlussfolgerung die illegalen, provokativen und störenden Aktivitäten Russlands gegen die EU, ihre Mitgliedstaaten und darüber hinaus. Nun sollen die Europäische Kommission und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell für die nächste Tagung des Europäischen Rates am 24. und 25. Juni einen Bericht mit politischen Optionen für die Beziehungen zwischen der EU und Russland vorlegen.

Ebenfalls habe der Europäische Rat am ersten Sitzungstag in Brüssel Schlussfolgerungen zur Nahostpolitik und der Festnahme des Übergangspräsidenten wie auch des Ministerpräsidenten von Mali beschlossen. 

Anders als in der medialen Berichterstattung dargestellt, seien Themen wie die Klimapolitik und der Umgang mit der Covid-19 Pandemie bei der Sitzung nicht untergegangen, wie im EBD De-Briefing betont wurde. Nach intensiven Abstimmungen bezüglich der „roten Linien“ einzelner Mitgliedstaaten, bestärkte der Europäische Rat erneut seine Schlussfolgerungen von Dezember letzten Jahres, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und begrüßte im Allgemeinen die Einigung zum Klimagesetz. Im nächsten Schritt werde die Europäische Kommission ihr Legislativpaket „Fit for 55“ mit verschiedenen Vorschlägen am 14. Juli vorlegen. 

Bezüglich des Tagesordnungspunktes der Covid-19-Pandemie sprachen sich die Staats- und Regierungsspitzen für ein weiterhin gemeinsam koordiniertes Vorgehen aus und begrüßten die Einigung zu einem digitalen Impfzertifikat, das spätestens am 1. Juli und in einigen Mitgliedstaaten schon Mitte Juni eingeführt werden soll. Wenngleich das Impftempo sich in der gesamten EU beschleunigt habe und bereits zahlreiche Europäerinnen und Europäer mindestens eine Impfung erhalten haben, müsse man weiterhin wachsam im Hinblick auf neu aufkommende Varianten bleiben. Der EBD-Vizepräsident betonte, dass sich das gemeinsame solidarische Vorgehen innerhalb der EU bewährt habe und begrüßte die Entscheidung, bis Jahresende 100 Millionen Impfdosen an bedürftige EU-Drittstaaten zu spenden. Dies sei jedoch noch zu wenig und ein weiterer notwendiger Schritt sei zudem die Aufhebung noch bestehender Exportbeschränkungen.

Mit Blick auf die Beziehungen der EU zum Vereinigten Königreich wurden die EP-Ratifizierung und das Inkrafttreten des UK-Handels- und Kooperationsabkommen begrüßt, welches seit 1. Mai 2021 gemeinsam mit dem Austrittsabkommen das Fundament der zukünftigen Zusammenarbeit darstellen soll. Für diese müssten alle Türen offengehalten werden, so Petry, ohne jedoch die beschlossene vertragliche Grundlage zu verwässern. Weitere Schritte, insbesondere zur Operationalisierung der Governance-Strukturen, werden am 9. und 10. Juni entschieden, wenn der EU-UK-Partnerschaftsrat zum ersten Mal tagt.

In der anschließenden Diskussion des De-Briefings wurden klimapolitische Entscheidungen und deren langfristige Wirkung thematisiert, die insbesondere auch die am 1. Juli beginnende slowenische EU-Ratspräsidentschaft beschäftigen werden. Außerdem wurden mögliche Sanktionen gegen Belarus aufgegriffen und debattiert, wie diese gezielt die Regierung in Belarus treffen können.