Schwierige Entscheidung: EZB-Rat hebt Leitzins erneut an | EBD & EBÖ De-Briefing EZB-Rat 15.09.2023
Die zehnte Leitzinsanhebung in Folge beschloss der EZB-Rat am 14. September 2023. Die Entscheidung ist unter Expertinnen und Experten umstritten. Erklärungen und Hintergrundinformationen hierzu lieferten am Folgetag Gabriel Glöckler, Principal Adviser in der Generaldirektion Kommunikation (EZB), und Katrin Assenmacher, Abteilungsleiterin geldpolitische Strategie (EZB) im EBD & EBÖ De-Briefing EZB Rat. Organisiert wurde die Veranstaltung von der EBD in Kooperation mit der EBÖ, die Moderation übernahm Ortrun Gauper von der EBÖ.
Die aktuellen Prognosen zeigen, dass die Inflationsrate zurückgeht, wenn auch langsamer als die Daten im Juni vermuten ließen. Voraussichtlich soll erst 2025 die Inflation das 2 Prozent Ziel der EZB bei einem Wert von 2,1 Prozent erreichen.
Die Wirkung der EZB-Geldpolitik zeigt sich bereits in der Dämpfung der Nachfrage. So verzeichnet etwa die Kreditvergabe einen starken Rückgang. Besonders betroffen sind die Baubranche und private Kreditnehmerinnen und -nehmer. Vor diesem Hintergrund und auf Basis von drei Kriterien, den Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, der Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission, entschied sich der EZB-Rat für eine weitere Zinserhöhung auf 4 Prozent.
Ob nun das Ende der Zinserhöhungen erreicht wurde, darauf legen sich die EZB und ihre Präsidentin Christine Lagarde nicht fest. Die Zinsen hätten jedenfalls ein Niveau erreicht, das, wenn es lange genug so gehalten wird, einen wesentlichen Beitrag zu einem zeitigen Rückgang der Inflation auf das 2 Prozent-Ziel leisten könne, so die EZB. Dies stärke darüber hinaus die Glaubwürdigkeit der Institution.
Dass die Inflationsaussicht seit der Prognose im Juni hochkorrigiert werden musste, liege an den wieder steigenden Energiepreisen. Während die Konjunktur je nach Land und Sektor unterschiedlich ist, zeigt sich der Arbeitsmarkt in der Eurozone weiterhin robust mit einer historisch niedrigen Arbeitslosigkeitsquote. Dies wirke sich positiv auf den Konsumgüter- und Dienstleistungssektor aus.
Vor der Sitzung des EZB-Rats waren die Erwartungen der Expertinnen und Experten geteilt, ob es eine weitere Zinserhöhung geben würde oder eher eine Pause. Im Nachhinein gab es entsprechend Kritik aus verschiedenen Ländern des Euroraums, die nicht die Notwendigkeit einer Zinserhöhung sahen.
In der anschließenden Diskussionsrunde des EBD & EBÖ De-Briefing EZB Rat wurde ebenfalls Kritik laut. Die Geldpolitik der EZB habe nur einen begrenzten Einfluss auf den Schutz von Mieterinnen und Mietern sowie Hypothekennehmerinnen und -nehmern vor hohen Zinsen. Um gerade ärmere Haushalte zu schützen, müsse die Inflationsrate insbesondere im Hinblick auf Lebensmittel gedrosselt werden. Diese lag im August bei 10 Prozent. Die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel sank im August auf 5,3 Prozent.
Ob der direkte Eingriff in bestimmte Märkte, wie er in manchen Ländern der Eurozone (beispielsweise Frankreich, Spanien oder Polen) vorgenommen wurde, der richtige Ansatz zur Preisstabilisierung und Marktregulierung ist, lasse sich nicht vorhersehen. Die EZB rät den Regierungen zu zeitlich begrenzten, gezielten und maßgeschneiderten staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Auf den Ölpreis und dessen Nachfrage habe die EZB-Geldpolitik wiederum keinen Einfluss. Auch hier könne die Geldpolitik nicht alles regeln.