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Europäische Wertegemeinschaft, Europakommunikation, Institutionen & Zukunftsdebatte

„Unser Weg – gerecht, innovativ und nachhaltig“ – EBD Stakeholder-Forum zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft

© EBD / Katrin Neuhauser

Nach 13 Jahren übernimmt Deutschland am 1. Juli 2020 erstmals wieder den Vorsitz des Rates der Europäischen Union. Die Vorbereitungen der Bundesministerien laufen bereits auf Hochtouren, denn die Erwartungen an Deutschland sind hoch. Das finale Programm der Bundesregierung zur Ratspräsidentschaft soll im Sommer veröffentlicht werden. Um den Austausch zwischen der Regierung und gesellschaftlichen Interessenträgerinnen und -trägern im Rahmen der inhaltlichen Ausarbeitung der Ratspräsidentschaft zu fördern, veranstaltete die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) am 12.02.2020 ein Stakeholder-Forum Europakommunikation im Auswärtigen Amt. Die Veranstaltung fand auf Initiative von Michael Roth MdB, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, statt.

In ihren einleitenden Worten betonte EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle die Bedeutung gesellschaftlicher Kräfte für Europapolitik und insbesondere für die deutsche Ratspräsidentschaft. Während die wichtige Rolle gesellschaftlicher Vertreterinnen und Vertreter als Multiplikatoren in der Europawahl 2019 deutlich geworden sei, biete die bevorstehende Ratspräsidentschaft die Chance, demokratische, repräsentative Verbände und Vereine in die Gestaltung deutscher Europapolitik einzubinden.

Nach Selles Begrüßung vertieften sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Diskussionen. Durch den Austausch in acht Workshopgruppen war das Stakeholder-Forum besonders interaktiv gestaltet. Die circa 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten ihre Ideen in themenspezifischen Diskussionsrunden vortragen und diskutieren. Die Workshops entsprachen verschiedenen Ratsformationen und waren jeweils mit Vertreterinnen und Vertretern des zuständigen Ministeriums besetzt, sodass ein direkter Austausch mit Workshopteilnehmenden stattfand. Themen der jeweiligen Diskussionsrunden waren allgemeine Angelegenheiten, Wirtschaft und Finanzen, Umwelt, Verkehr, Telekommunikation und Energie, Wettbewerbsfähigkeit sowie auswärtige Angelegenheiten.

© EBD / Katrin Neuhauser

Hoch im Kurs waren in den Diskussionen vor allem die Themen European Green Deal, der Mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 (MFR), die Konferenz zur Zukunft Europas und die EU-Außenbeziehungen mit Afrika. Immer wieder kamen Fragen nach den Prioritäten der Bundesregierung auf. Zum einen äußerten die Teilnehmenden den Wunsch nach einem proaktiveren Handeln Deutschlands auf europapolitischer Ebene. Zum anderen wurde die Sorge geäußert, dass Deutschlands derzeitige innenpolitische Lage die Präsidentschaft überschatten könnte.

Viele der Themen aus den Workshopgruppen wurden in der anschließenden Paneldiskussion aufgegriffen. EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann eröffnete diese mit der Frage: „Inwiefern kann die deutsche Ratspräsidentschaft genutzt werden, um ein übergreifendes europäisches Gefühl entstehen zu lassen?“ Sina Frank, Leiterin des Büros des Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und EBD-Vorstandsmitglied, betonte die Bedeutung von mehr Mitbestimmung und Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in europapolitische Findungsprozesse. Dem schloss sich Tobias Köck, Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) und EBD-Vorstandsmitglied, an und nannte vor allem Klimaschutz und Nachhaltigkeit als notwendige Prioritäten der deutschen Ratspräsidentschaft. Köck kritisierte zudem: „Viele junge Menschen sind interessiert und wollen mitgestalten, werden aber einfach nicht mitgenommen“. Dem stimmte Isabelle Buscke, Leiterin Team Brüssel des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), zu und forderte zudem mehr Mut und Transparenz von der Bundesregierung.

© EBD / Katrin Neuhauser

Axel Dittmann, Beauftragter für die Koordinierung der EU2020-Ratspräsidenschaft im Auswärtigen Amt, erklärte, dass die Bundesregierung inhaltlich stark auf die Vorarbeit der kroatischen Präsidentschaft aufbaue. Auch der Handlungspielraum, den die EU Deutschland gewähre, spiele in die Schwerpunktsetzung der Ratspräsidenschaft mit hinein. „Wir müssen unterscheiden zwischen den Themen, die gesetzt sind und den Bereichen, in denen wir Akzente setzen möchten“, so Dittmann. Er erläuterte, dass sich die Bundesregierung darauf fokussieren werde, bereits laufende europäische Projekte weiter voranzutreiben. Als Reaktion auf diese eher unverbindliche Aussage von Dittmann pochten die andere Panelistinnen und Panelisten auf konkretere Aussagen. Patrick Meinhardt, Direktor Politik Europa des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), betonte die Forderungen nach einer sicheren Anschlussfähigkeit des Erasmus-Programms und einer verbesserten Mittelstandsstrategie. „Die Ratspräsidentschaft könnte Anstöße für verbesserte Dialogprozesse erbringen“, so Meinhardt. Dies beziehe sich auch auf eine verbesserte Koordinierung für den möglichen EU-Afrika-Gipfel. Meinhardt hob hervor, dass er sich konkrete Handlungsvorgaben und einer fokussierten Ursachenbekämpfung erhoffe.

© EBD / Katrin Neuhauser

Im Schlusswort der Veranstaltung betonte Staatsminister Roth, dass die deutsche Ratspräsidentschaft in den sechs Monaten ihrer Dauer nicht alle aktuellen und zukünftigen Probleme lösen könne. Dennoch bestünden der Wunsch und das Ziel, Perspektiven zu setzen und den Zusammenhalt in der EU zu stärken. „Gerecht, innovativ und nachhaltig“ solle der Weg der deutschen Ratspräsidentschaft sein. Auch wenn für diesen Weg Hindernisse erwartbar seien, müsse man gerade angesichts derjenigen, die am Wert von Europa zweifeln, „mit einer gemeinsamen Stimme, mit einer gemeinsamen Strategie sprechen“, so Roth. Im Rahmen des Möglichen werde Deutschland die Ratspräsidentschaft nutzen, um mutig voran zu gehen und Überzeugungsarbeit für Europa zu leisten. Ein Satz Roths blieb zum Abschluss der Veranstaltung besonders im Gedächtnis: „Europa bedeutet für uns, ohne Angst verschieden zu sein. In einer Zeit in der Rassismus, Antisemitismus und Rechtspopulismus auf der Tagesordnung stehen, brauchen wir ein gemeinsames Verständnis von Demokratie“.