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  • 11.12.2009 - 15:46 GMT
  • ver.di
Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit & Verbraucherschutz

ver.di: VDV und bdo verweigern Regeln für Qualität und soziale Standards

In einem Acht-Punkte-Papier haben sich der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) verständigt, wie das deutsche Personenbeförderungsgesetz novelliert werden soll.

Zum Einen wollen sie sich gegenseitig keine Konkurrenz machen. Wechselseitig verpflichten sie sich, keine Liniengenehmigungen zu beantragen, die entweder von bdo-Unternehmen oder kommunalen Unternehmen wahrgenommen werden. Zum Anderen wollen sie sich gemeinsam aus dem Geltungsbereich der VO/1370/2007 stehlen. So stellen sie lapidar fest, dass eine deutsche Liniengenehmigung kein ausschließliches Recht darstellt. Damit würde die Vergabe dieser Liniengenehmigungen nicht in den Geltungsbereich der neuen europäischen Marktzugangsverordnung fallen, nach der Qualität und soziale Standards für die Arbeitnehmer sichergestellt werden können.
"Mit diesem Versuch sich aus europäischem Vergaberecht zu stehlen, treten sie die Wünsche der Fahrgäste nach höherer Qualität im ÖPNV mit Füßen und verweigern den Beschäftigten notwendigen sozialen Schutz", so Erhard Ott, Bundesvorstandsmitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). "Die neue EU-Verordnung muss auch hierzulande angewendet werden."
Die neue EU-Marktzugangsverordnung vom 3. Dezember 2009 regelt die Vergabe von Verkehrsleistungen im öffentlichen Nahverkehr auf Straße und Schiene und deren Finanzierung durch die öffentliche Hand. Sie gilt immer dann, wenn eine Liniengenehmigung ein ausschließliches Recht beinhaltet und/oder Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gewährt werden.
Die neue EU-Verordnung gibt den Aufgabenträgern das Recht, Qualitätsstandards vorzugeben. "Das ist auch notwendig, denn ohne eine gute Qualität im Nahverkehr werden wir keine neuen Fahrgäste gewinnen. Das ist auch aus klimapolitischen Gründen wünschenswert", so Ott. Ebenfalls gibt die neue EU-Verordnung den Aufgabenträgern das Recht, soziale Standards für Arbeitnehmer und auch den Übergang der Beschäftigten auf einen neuen Betreiber zu regeln. "Auch das ist dringend notwendig, denn immer mehr Kommunen entscheiden sich für eine wettbewerbliche Vergabe. Das bedeutet für die Beschäftigten einen mehrfachen Wechsel des Arbeitgebers im Verlauf ihres Arbeitslebens, obwohl sie immer dieselbe Arbeit machen. Das ist man den Beschäftigten schuldig", sagte Ott.
Der Versuch von VDV und bdo, das Vergaberecht auszuhebeln, geschieht wider besseres Wissens. Denn sowohl der Europäische Gerichtshof als auch die Oberverwaltungsgerichte in Baden-Württemberg und Hessen haben eindeutig entschieden, dass eine deutsche Liniengenehmigung gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen enthält und ein ausschließliches Recht darstellt. Schließlich ist es das Wesen der Liniengenehmigung, dass nur der Inhaber der Genehmigung die Linie bedienen darf und kein anderer. Diese Konkurrentenausschlusswirkung stellt nach europäischem Vergaberecht ein ausschließliches Recht dar.
Das Gegenmodell lässt sich in Großbritannien außerhalb Londons besichtigen. Dort darf jeder fahren und es kommt zu waghalsigen Fahrmanövern, denn der erste an der Haltestelle befördert die Fahrgäste und sichert sich so die Einnahmen.
"Hier wird der Versuch unternommen, sich unliebsame Konkurrenten vom Hals zu halten, sich aber gleichzeitig aus den damit verbundenen Pflichten zu stehlen", so Erhard Ott: "Die Politik ist aufgefordert, sich für die Regeln der EU-Verordnung einzusetzen und deutsches Recht konsequent an die EU-Verordnung anzupassen. Das ist sie den Fahrgästen und auch den Beschäftigten schuldig. Und als Steuerzahler bekämen wir zusätzlich ein transparentes Finanzierungssystem!"
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft