Verabschiedung eines Vorzeige-Europäers | Veranstaltung zum Amtsende von Jo Leinen
Was erwartet Brüssel nun von Berlin? oder Von zwei überzeugten Europäern am linken und am rechten Ufer der Saar
In der belgischen Botschaft fand sie statt: Die Verabschiedung des Präsidenten des EBD-Mutterverbandes Europäische Bewegung International. Mehr als 80 Gäste füllten den Saal, unter ihnen Botschafter und Diplomaten sowie zahlreiche Berlinerinnen und Berliner aus dem Netzwerk Brüssel-Alumni. Hausherr S.E. Ghislain D’hoop betonte in seiner Begrüßung die Relevanz eines engen Austausches zwischen der Bundesregierung und dem Diplomatischen Corps und verwies als Beispiel auf das ausgesprochen gute Verhältnis zwischen der Belgischen Botschaft und der EBD.
Der Abend hatte aber nicht nur eine politische Seite, sondern war auch einem aktiven und erfolgreichen Europäer als Dank für die Verdienste gewidmet. Jo Leinen ist seit seiner Jugend ein Vorkämpfer für europäische Integration und ein großer Kenner des europäischen Politikbetriebs und Demokratie. Nach sechs Jahren endet nun turnusgemäß seine Präsidentschaft in der Europäischen Bewegung International, dem größten demokratischen Netzwerk für Europapolitik. Der Gastgeber des Abends, EBD-Präsident Dr. Rainer Wend, verwies in einem Impuls auf die großen Erfolge Leinens um Demokratie und die Mitbestimmung der gesellschaftlichen Kräfte auf europäischer Ebene. Außerdem begrüßte er einen weiteren Saarländer im Saal, der Leinen seit vielen Jahren aus der Landes- und der Europapolitik kennt. Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Kanzleramts, kam Peter Altmaier als Laudator; nicht nur um die Arbeit Leinens zu würdigen, sondern auch um aus dem Nähkästchen zu plaudern und durchaus von früheren kleinen Gefechten auf saarländisch landespolitischer Ebene zu erzählen.
Startete in Europa durch vor 50 Jahren: bei der @JEF_de : Jo Leinen pic.twitter.com/JI1SnFt5bz
— Europäische Bewegung (@NetzwerkEBD) 12. Oktober 2017
Aber was der gesamten Veranstaltung zugrunde lag, war die Frage „Was erwartet Brüssel nun von Berlin?“. Schließlich blickte die Europapolitik dieses Jahr gebannt auf die Bundestagswahl. Doch was die kommende Koalition europapolitisch vorhat, steht noch in den Sternen. Dabei haben zwei große Reden dieses Jahr dem Wind in den Segeln des Europabewusststeins gesorgt: Junckers „Rede zur Lage der Europäischen Union“ und Macrons „Initiative für Europa“.
In seiner Laudatio ging der Kanzleramtschef auf Macrons europapolitische Grundsatzrede an der Sorbonne-Universität ein. Dort hatte Frankreichs Präsident einen umfangreichen Katalog von EU-Reformvorschlägen vorgelegt. Der designierte Bundesfinanzminister Altmaier wandte sich aber auch gegen eine Transfer-Union und stellte die Frage, ob es bei den Überlegungen für einen europäischen Finanzminister lediglich um einen „Doppelhut“ gehen solle, mit dem die bestehenden Ämter des EU-Wirtschaftskommissars und des Euro-Gruppen-Chefs zusammengeführt würden. Letztlich gehe es bei der europäischen Zukunftsdebatte aber nicht um die Instrumente, sondern um eine Verständigung auf die politischen Inhalte, unterstrich Altmaier. Als Beispiel für sinnvolle Zukunftsinvestitionen nannte er das Feld der künstlichen Intelligenz, die derzeit von Internetriesen wie Google vorangetrieben wird.
@peteraltmaier ist heute Laudator für #joleinen bei @netzwerkEBD in der @BelBotschaft #BRUinBER pic.twitter.com/EAfuIZdtdw
— Eike Paulun (@eikepaulun) 12. Oktober 2017
Zu den Vorschlägen Macrons, die Altmaier befürwortete, gehörte die Idee des französischen Staatschefs, die EU-Kommission mit ihren derzeit 28 Frauen und Männern auf 15 Mitglieder zu verkleinern. Der Kanzleramtschef erinnerte daran, dass dies letztlich an einen Reformvorschlag aus der Vergangenheit anknüpfe, der aber am Widerstand kleinerer Länder wie Irland scheiterte. Altmaier selber gehörte wie Jo Leinen vor über einem Jahrzehnt einem Konvent an, der seinerzeit eine EU-Verfassung erarbeitete. Der Minister wollte nicht ausschließen, dass sich langfristig wieder ein ordentlicher Konvent von nationalen und europäischen Parlamentariern, Regierungen und Kommission mit einer grundlegenden Neugestaltung der EU befassen werde, wie sie Macron offenbar anstrebe. In der Zwischenzeit müssten Reformen aber unterhalb der Ebene der EU-Vertragsänderung durchgeführt werden, so Altmaier.
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