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  • 13.04.2011 - 07:50 GMT
  • vzbv
Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit & Verbraucherschutz

vzbv: Kreditverträge zur Finanzierung von Wohnimmobilien

Eine Kurzbewertung der EU-Richtlinie

Ende März 2011 hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge veröffentlicht. Ähnlich der Verbraucherkreditrichtlinie sollen Verbraucher besser Konditionen vergleichen und über Risiken informiert werden. Nach den schlechten Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise spielen die Gefahren, die von dieser Kreditform für Verbraucher und den Markt ausgehen können, eine größere Rolle. Daraus erwachsen auch verbindlichere Vorgaben zum Schutz der Verbraucher.
Der Vorschlag, der sich in Teilen an der Verbraucherkreditrichtlinie orientiert, weist einige verbraucherorientiertere Eigenschaften, teilweise aber auch kontraproduktive Vorschläge auf. Er stellt richtigerweise weniger auf die Entwicklung eines noch schwer vorstellbaren Binnenmarktes in diesem Bereich ab, sondern versteht Immobiliendarlehen und ihren Vertrieb aus den Erfahrungen der Finanzmarktkrise als potentiell marktgefährdend. Dies soll durch die Regulierung europaweit entschärft werden.
Der Entwurf bedarf jedoch noch erheblicher Überarbeitungen:
-Bei den Themen Werbung und vorvertragliche Information/ESIS drohen dieselben Umsetzungsschwierigkeiten, wie sie jetzt schon bei den parallel geregelten Verbraucherkrediten bestehen.
-Das Europäische Standardisierte Merkblatt ESIS muss rechtzeitig zur Information und zum Marktvergleich verfügbar sein. Es muss kurz und lesbar sein und auch darüber informieren, ob und wie lange die Konditionen gelten. Teilweise wirkt die ESIS aufgebläht und schlecht gegliedert. Andererseits kommen wichtige Aspekte zu kurz, zum Beispiel die konkreten Informationen über die Kostenbelastungen bei variablen Verzinsungen.
-Die Regelung zum effektiven Jahreszins – auch hier identisch mit der Verbraucherkreditrichtlinie – ist so noch für den Immobilienbereich unbrauchbar. Dies belegt bereits das Problem bei bestimmten Baufinanzierungsmodellen der Sparkassen. Wendet man die bei uns schon auch für Immobiliendarlehen so vorgeschriebenen Berechnungsregeln an, konnten bereits Effektivzinsen herauskommen, die niedriger als die Vertragszinsen lagen, was nicht sein kann, weil ein Effektivzinssatz sich aus der reinen Zinsbelastung plus allen Zusatzkosten errechnet.
-Die Ausrichtung an der Verbraucherkreditrichtlinie ist nicht immer sachgerecht. So ist die Bonitätsbewertung von Verbrauchern zu sehr auf die Abfrage von Datenbanken konzentriert und blendet aus, dass Immobiliardarlehen regelmäßig stark gesichert sind und Aspekte wie Beleihungswerte wichtig werden.
-Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung wird die Rolle des Verbrauchers weit überschätzt. Er wird sogar im Rahmen des erstmals formulierten Konzepts einer verantwortlichen Kreditnahme als jemand dargestellt, der potentiell unredliche und negative Daten verschweigen könnte. Sanktionen ihm gegenüber wegen unvollständiger Angaben sind völlig zweckwidrig. Der Kredit ist besichert, gezielte Fehlinformationen über die eigene Bonität sind ohnehin strafbewehrt. Im Vorfeld eines Vertragsschlusses ist der Kreditgeber Herr des Verfahrens, er hat es in der Hand, welche Unterlagen er vom Verbraucher anfordert und ob diese ausreichen oder ob er darüber hinausgehende Belege benötigt.
-Zu Zinsanpassungen bei variabel verzinsten Verträgen ist der Richtlinienvorschlag inakzeptabel, bereits bei Verbraucherkrediten gab es dazu keine überzeugende Regelung. Es ist unverständlich, dass die negativen Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise gerade mit diesem Risikofaktor nicht aufgenommen wurden.
-Die Regelung zur Vorfälligkeitsentschädigung ist völlig unbefriedigend. Das Recht auf vorzeitige Rückzahlung mag – wie in anderen Ländern geschehen – auf bestimmte Zeitpunkte beschränkt werden. Es darf jedoch nicht Tür und Tor für eine Lex Germanica geöffnet werden, mit der die Rückzahlungsoption anders bei der Verbraucherkreditrichtlinie per se auf wenige, sehr eng definierte Gründe beschränkt werden können. Will man den Binnenmarkt öffnen und mehr Wettbewerb wagen, muss es ein uneingeschränktes Recht zur Rückzahlung geben. Dies würde dann Kreditnehmern maßgeblich dabei helfen, ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen, nämlich nicht irgendwann in Zahlungsprobleme zu kommen. Zudem sind Transparenzgrundsätze zur Höhe und Berechnung der Entschädigung aufzustellen und Übervorteilungen der Kreditnehmer zu verhindern.
-Die Aufsicht über einen in einem anderen Land tätigen Kreditvermittler – aber auch Kreditgeber – darf nicht nur indirekt über die jeweilige Heimataufsicht des Anbieters erfolgen. Jede Aufsicht muss gegenüber konkretem Marktverhalten in ihrem Gebiet sofort selbst tätig werden können.
-Bei der Abfrage von Datenbanken fehlt aus unserer Sicht die Bezugnahme auf den korrekten Inhalt dieser Datenbanken, der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie bei den eingetragenen Verbrauchern abzufragen ist. Vorher kann man nicht ernsthaft diese Datenbanken europaweit allen Anbietern freigeben.
-Wie schon bei der Verbraucherkreditrichtlinie deckt der neue Entwurf nur Teilbereiche des Kreditgeschäfts ab, in erster Linie den vorvertraglichen Bereich. Unter der Prämisse des Arbeitstitels "Verantwortliches Kreditgeschäft bei Immobiliendarlehen" ist dies nicht vertretbar. Am Anfang des Vertrages mag es noch keine Probleme geben, die sich aber aufgrund der langen Laufzeit und des Prognosecharakters der Rückzahlungsmöglichkeiten über die Jahre durchaus ergeben können. Auch Anschlussfinanzierungen sind einschneidende Zeitpunkte, bei denen das Mitwirken des Kreditgebers gefragt ist. Sowohl bei Zahlungsschwierigkeiten des Kreditnehmers als auch bei der Sicherstellung einer Anschlussfinanzierung ist die Verantwortlichkeit des Kreditgebers gefragt; hierzu bietet der Vorschlag nichts.
Positiv ist:
-Es gibt eine eindeutige Vorgabe, bei der Kreditgewährung, der Vermittlung und der Beratung die besten Interessen des Verbrauchers als Leitbild zu nehmen. Auch die Vergütungssysteme sind daraufhin zu überwachen.
-Die Kreditvermittler werden – nur leider trotz des Allfinanzzeitalters wieder nur sektoral – wesentlich gezielter reguliert, einschließlich Registrierung, Sachkundenachweis und Haftpflichtversicherung.