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Europäische Wertegemeinschaft, Institutionen & Zukunftsdebatte

EBD De-Briefing zur Zukunftskonferenz: Ergebnisorientierter Zukunftsdialog oder Zuhörübung?

Die Konferenz zur Zukunft Europas hat schon jetzt Bewegung in die europäische Politik gebracht. Parallel zum EBD De-Briefing am Mittwoch, das sich mit der abschließenden Plenarversammlung der Konferenz zur Zukunft Europas (CoFoE) beschäftigte, verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung, die den Weg für einen Verfassungskonvent bereiten soll.

Noch sind die 49 Reformvorschläge der Zukunftskonferenz, die in den vergangenen zwölf Monaten in neun Arbeitsgruppen des CoFoE-Plenums ausgearbeitet wurden, nicht an die EU-Spitzen übergeben. Doch bereits jetzt ist das Interesse an den Vorschlägen und dem weiteren Verfahren groß, wie mit Blick auf die 103 Teilnehmenden des EBD De-Briefings deutlich wird. Unter der Moderation von Markus Vennewald, Referent für Europapolitik bei der EBD, zogen Stephanie Hartung, nationale Bürgervertreterin im Plenum der Zukunftskonferenz, Christian Moos, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, EBD-Vorstand und Generalsekretär der Europa-Union Deutschland (EUD) e.V., Axel Schäfer MdB, Mitglied des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU des Deutschen Bundestages und Dr. Anna Lührmann MdB, Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt, ein erstes Fazit und gaben Ausblick auf die jetzt beginnende zweite Phase der Umsetzung der Zukunftskonferenz. Dabei waren sich die Teilnehmenden vor allem in einem Punkt einig: Es braucht eine ernsthafte Auseinandersetzung und ambitionierte Umsetzung der Vorschläge in greifbare Reformen.  Dass nicht nur die EBD eine erste positive Bilanz der Reformvorschläge zieht wurde bereits in den Eingangsstatements deutlich. Die Panelistinnen und Panelisten teilten die Einschätzung, dass viele der erarbeiteten Vorschläge das Potenzial hätten, Europa handlungsfähiger zu machen. Insbesondere die Vorschläge zur Stärkung der EU-Autonomie und der Nachhaltigkeit unterstreichen, dass die Konferenzteilnehmenden langfristig auf Europa geschaut haben, so eine Einschätzung auf dem Panel. 
Doch es wurde auch hart gerungen während der letzten zwölf Monate, insbesondere um die Themen europäische Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung sind teils ambitionierte Vorschläge, wie unter anderem die Abschaffung des Einstimmungsprinzips im Rat der EU. Diese soll zukünftig nur noch auf Entscheidungen zu EU-Beitritten und Änderungen der Grundprinzipien in den Verträgen begrenzt sein und ansonsten durch qualifizierte Mehrheitsvoten abgelöst werden. 

Es sind besonders diese tiefgreifenden Reformvorschläge, die im Fokus der öffentlichen Debatte stehen. Die Panelistinnen und Panelisten appellierten jedoch im EBD De-Briefing dafür, dass die weniger polarisierenden Vorschläge nicht unter den Tisch fallen sollten. In diesem Zusammenhang wurde besonders auf die große Einigkeit bei den Themen digitaler Wandel, Gesundheit, Jugend, Kultur und Sport verwiesen, die großes Potenzial für Veränderungen bergen. Aber auch bei der Bekämpfung von Desinformation, Unabhängigkeit der Medien und der Einführung eines EU weiten Bildungs- und Informationsfernsehens konnten konkrete Vorschläge formuliert werden, mit denen sich jetzt auseinandergesetzt werden muss.  Am Europatag, dem 9. Mai, wird die Abschlusserklärung der Konferenz an den amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Emmanuel Macron, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola übergeben. Zuvor, so wurde betonte, unternimmt der Exekutivausschuss der Zukunftskonferenz noch eine Schlussredaktion der Vorschläge. Doch werden nur geringfügige Anpassungen erwartet.

Ein genaues Verfahren, wie mit den Vorschlägen umzugehen ist, gibt es noch nicht. In der Erklärung zum Verfassungskonvent des Europaparlaments heißt es, man müsse die Ergebnisse der Zukunftskonferenz einhalten. Ob es einen Verfassungskonvent für die ernsthafte Auseinandersetzung mit den Vorschlägen braucht, wurde im EBD De-Briefing unterschiedlich bewertet. Mit politischem Willen ließen sich die meisten Vorschläge bereits unter den bestehenden EU-Verträgen umsetzen, so eine der Einschätzung. Die Forderung nach einem kohärenteren EU-Wahlrecht mit transnationalen Listen wurde in diesem Zusammenhang als Beispiel genannt. Hierzu hatte das Europaparlament bereits am 3. Mai 2022 abgestimmt. Nun liegt die Entscheidung beim Rat der EU, der hierüber einstimmig abstimmen muss. Ebenso können Änderungen, wie die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips im Rat für Auswärtige Angelegenheiten, über sogenannte Passerelle-Klauseln im Europäischen Rat (ER) entschieden werden, ohne Vertragsänderungen über einen Konvent einzuleiten. Dies sollte geprüft werden, so wurde während des De-Briefings betont, obwohl es mit der notwendigen Einstimmigkeit unter den Staats- und Regierungsspitzen im ER eine hohe Hürde gebe. 

Als konkreter Vorschlag für das weitere Verfahren wurde eine zweifache Unterteilung vorgeschlagen, die sowohl auf der Notwendigkeit von Vertragsänderungen basieren als auch zwischen politikfeldzentrierten und institutionellen Vorschlägen unterscheiden sollte. Neben der Rolle der kommenden Ratspräsidentschaften bei der Umsetzung der Vorschläge wurde während der Diskussion im EBD De-Briefing auch auf die Rolle von Verbänden und Vereinen verwiesen. Diese sollten die Umsetzung weiter begleiten und Druck auf europäische Institutionen und Mitgliedstaaten ausüben, damit es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung kommt. Nur so wird die Konferenz zu einem ergebnisorientierten Zukunftsdialog und nicht zu einer weiteren Zuhörübung.

Rund 110 Teilnehmende hatten sich zum De-Briefing am Mittwoch dazugeschaltet.