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EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik

Türkischer Elefant im europäischen Raum | EBD stärkt europapolitische Vernetzung mit Türkei

Mit Recht steht die Ukraine, gemeinsam mit Moldau, kurz vor der Anerkennung als EU-Beitrittskandidat. Mit Recht setzen die EU und nun auch die Bundesregierung die Integration des Westbalkans in die EU wieder hoch auf die Tagesordnung. Doch wird der älteste Beitrittskandidat, die Türkei, weiter wie ein unsichtbarer Elefant im europäischen Raum behandelt. 

Dabei ist klar: Ein EU-seitiger Abbruch der Verhandlungen, die Wiederaufnahme der Verhandlungen, die Öffnung und Schließung von Beitrittskapiteln als auch ein endgültiger Beitritt – all dies braucht Einstimmigkeit in der EU, z.T. auch die Zustimmung des Europäischen Parlaments. Und es gibt offensichtliche Gründe, warum es nicht vorangeht. Solange Osman Kavala (stellvertretend für Missstände in Sachen Menschenrechte und Demokratie) inhaftiert ist, solange es geopolitische Auseinandersetzungen vor allem mit Griechenland und um Zypern gibt, solange die EU sich nicht selbst reformiert (in puncto Handlungsfähigkeit oder bei der Gewährleistung der Rechtstaatlichkeit eigener Mitglieder) – solange ist es vielen nur Recht, sich nicht zum unsichtbaren Elefanten positionieren zu müssen. Ob aber eine Türkei, die die wirtschaftlichen, demokratischen und rechtstaatlichen Kopenhagener Kriterien vollumfänglich erfüllte, „zu Europa gehören“ darf, ist nach den bestehenden EU-Verträgen und Prinzipien eigentlich positiv beantwortet. 

Die Europäische Bewegung wurde 1948/49 gegründet. Vision und Realismus auf dem Weg zu mehr Freiheit, Demokratie und Wohlstand gehören für das älteste gesellschaftliche Netzwerk für Europapolitik zusammen. Das Konzept Europäische Public Diplomacy gehört dabei zur Förderung des offenen, grenzüberschreitenden Austausches. Im Juni 2022 fand in Istanbul das erste Hintergrundtreffen im Format „EBD Public Diplomacy Exklusiv Türkei“ statt. Alle in Istanbul ansässigen EBD-Mitgliedsorganisationen (Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer, Stiftung Mercator, Friedrich-Ebert-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit) nahmen an diesem Austausch zu den europapolitischen Herausforderungen zwischen Deutschland und der Türkei teil. Die in Ankara ansässige Konrad-Adenauer-Stiftung war ebenfalls eingeladen. 

Ehrengast war der Generalkonsul Johannes Regenbrecht, der mit Recht auf die großen wirtschaftlichen und familiären Verknüpfungen zwischen der Türkei und Deutschland hinwies. Die hohe Rate von Visaerteilungen ist ein Ausdruck dessen. Anwesend waren auch die Europäische Bewegung Türkei, das Goethe-Institut Türkei und deutsche Journalistinnen und Journalisten vor Ort. Ob Menschenrechte unter den Europarat-Standards, Visumfreiheit, die Modernisierung der gemeinsamen Zollunion, Hilfe für Geflüchtete mit dem EU-Türkei-Abkommen, direkte Wirkungen des Fit für 55-Pakets der EU oder möglicher EU-Handelsabkommen, es gibt so viele unauflösbare Verknüpfungen wie lose Enden in den EU-Türkei-Beziehungen. 

Deutscher Botschafter Jürgen Schulz mit EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann 

EBD-Präsidentin Linn Selle hat parallel mit der Präsidentin der Europäischen Bewegung Türkei Zeynephan Gemicioğlu eine stärkere Vernetzung zwischen den beiden Schwesterorganisationen vereinbart. Vor den Wahlen in der Türkei 2023 hat die neue Bundesregierung (zumindest offiziell) keine europapolitische Türkeistrategie. Die Spannungen zwischen Ankara, Brüssel und Berlin dürften im Wahlkampf zunehmen. Umso wichtiger ist es für die EBD, mit ihren Mitgliedsorganisationen die ehrliche Kommunikation zur EU-Türkei-Politik zu stärken. Denn die Türkei bleibt der schwierigste Beitrittskandidat in Europa, der vielleicht selbst nicht akzeptieren kann, dass ein Betritt zur EU weniger über Verhandlungen als nur über die schlichte Akzeptanz von demokratischen Standards erfolgen kann. Standards, für die die EU selbst auch noch viel leisten muss. 

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